Einige der großartigsten Entscheidungen meines Lebens wurden
durch den nebensächlichen Vorschlag anderer Leute getroffen. Ich erinnere mich
daran mit dem Gedanken von Deutsch und Sozi-Leistungskurs gespielt zu haben,
bis eine Freundin meinte: "Und wieso machst du nicht einfach
Kunst-LK?". Als die Frage war ob ich Zwerge oder Skaven in Warhammer
spielen sollte, meinte ein Freund "Nimm Skaven." Als ich im letzten
Semester meinen Bruder in Prag besuchte meinte er: "Geh doch auch mal für
ein Semester ins Ausland.“
Und da bin ich jetzt, in den Fußstapfen meines Bruder (Danke dafür, Wirklich!). Mit
meinen Hang zur Übertreibung reichen mir die paar hundert Kilometer nach Prag
aber nicht. Weil ich kein Maß kenne muss mein Ziel über 8600 km entfernt sein.
Wegen der Unfähigkeit zu wissen wann Schluss ist, muss ich nach Gwangju, an die
Südspitze von Südkorea.
Von Südscheißkorea.
Da fang ich wohl besser mal an zu sparen, denn der Flug alleine kostet
mindestens 600 Euro. Das sind sechs bis acht Wochen Arbeit. Sicherlich werde
ich es vermissen mir Essen leisten zu können. Und bis dahin ist noch jede Menge
zu tun. Ich habe mein schönes vier Tage Wochenende durch einen
Koreanischsprachkurs am Montagabend - Mitten drin! - zerschossen. Ich bin von
drei Germanistikkursen in der Woche, was mir die wunderherrliche Situation
gegeben hätte nur noch zwei in den nächsten drei Semestern machen zu müssen,
auf einen einzigen runter gegangen. Gleichzeitig habe ich mir ein Blockseminar
geschnappt, dass ich mir während meines Koreaaufenthaltes jetzt sparen kann. Es
gibt zwar die Möglichkeit durch ein learning
agreement vor allem im Bereich der Medienproduktion und
Kommunikationswissenschaften ECTS zu sammeln, die ich mir auf meinen Bachelor
anrechnen kann, aber letzten Endes, werde ich so nicht darum herum kommen mir
noch ein Jahr dran zu hängen. Nachdem ich ohnehin keine Studiengebühren zahlen
muss, ist das aber nicht ganz so wild.
Bis dahin muss ich also Koreanisch lernen, was nun wirklich
noch mal was ganz anderes ist.
Aber immerhin gibt
es in der Volksschrift, wie sie sagen, ja nur zehn Vokalzeichen
, aus denen man
weitere 11 Diphthonge basteln kann.
Dann sind da noch
die 14(!) Konsonanten, zu denen es sechs Doppelungen gibt. ("dd" (Was
das selbe ist wie "tt", weil es zu kompliziert wäre zwischen
hart/weich und stimmhaft/stimmlos zu unterscheiden, aber ein "gg"
darf trotzdem guttural gesprochen werden, was mehr Spaß macht als es sollte.)
ist zum Beispiel ein bisschen wie ein dumpfes "th". (Ein bidentales Frikativ,
falls es wen interessiert.) Fast schon gälisch!).
Ich bin richtig froh, dass ich in der Linguistik nicht total
versagt habe. Selten hat mir eine Wissenschaft so weiter geholfen wie jetzt.
Mit deutscher Lingusitik und den daraus konstuierten Kenntnissen der englsichen
Aussprache, kann man die meisten Laute meistern. Naja, fast.
Aber diese ganze Zeichen sind jetzt noch keine Schrift. Wie
die meisten anderen Asiaten mögen auch die Koreaner ihre Silben mit arschvielen
Vokalen drin. Jedes Schriftzeichen setzt sich aus einem Vokalzeichen (Das bei
Gelegenheit wie zwei Vokale ausgesprochen wird.) und ein bis zwei Konsonanten
zusammen.
Daraus folgt natürlich, dass sie das selbe Wort auf hundert
Arten schreiben können. (Sogar, wenn man es in unsere Schrift überträgt, weil
man bei vielen Zeichen keine eindeutige phonetische Entsprechung hat. Die
primären Vokale (aus denen sich alle anderen zusammensetzen) sind: A, O, U, I,
das Schwa und etwas unaussprechliches
(wirklich), das in unserer Sprache einfach keinen Namen hat, aber oft mit einem
e, einem i oder einem u(!?) transkribiert wird. Und anhören tut es sich wie der
achte Ton, weil es natürlich mit zusammengekniffenen Zähnen gesprochen wird.
Linguistisch ist es ein geschlossener ungerunderter Hinterzungenvokal. Oh ja.)
Der Professor, der für das Auslandssemester zuständig ist,
hatte mich schon gewarnt. "Die schreiben ihre Dinger kreuz und quer!"
Aber eigentlich ist es ganz einfach. Sobald man die Elemente drauf hat und
aufhört an so etwas lächerliches wie Buchstaben
zu denken, gewöhnt man sich daran, dass kein Wort wie das nächste aussieht.
Das ist jedenfalls das Ziel dieses Semester. Grundkurs 1. Und dann kann man
vielleicht irgendwann mal anfangen Vokabeln zu lernen. Meine Nachbarin, die
parallel anfängt Französisch im Grundkurs 1 zu lernen, hat da einen kleinen
Vorsprung. Und das nicht nur, weil sie vier Jahre in der Schule mit der Sprache
verbracht hat.
Die Grammatik ist größtenteils simpel. Es gibt z.B. keine Deklination.
Ein Satz wäre: „Tse nin Tau-ge-nitsch i-ie-io“
Das bedeutet: „Ich bin der Taugenichts.“
Wörtlich übersetzt: „Ich-betreffend Taugenichts sein.“
Die Post(!)position „nin“ zeigt einfach nur an, dass das
Wort davor das Thema ist (nicht das Subjekt! Die Subjekt Postposition ist „i“
bzw. „ka“). Die Silben „ie“ bedeuten „sein“ und „io“ ist einfach nur eine
Satzänderung (Fragt nicht). Verändern können sich beide Worte, aber nicht durch
Grammatik, sondern durch laut. „Nin“ wird zum „In“, wenn das Wort davor auf
einen Konsonanten endet, und „ie-io“, wird zu diesem „i-ie-io“. Das Ziel ist
möglichst immer Konsonanten und Vokale abwechseln zu lassen. Weil das ja klar
ist. Darum besteht das Wort „sein“ auch aus vier bis fünf Vokalen (in ihrer
Zählweise zwei bis drei) und keinem Konsonanten.
Die Grammatik ist dafür umso einfacher. Satzfragen gibt es beispielsweise gar nicht.
„Hannes, bist du Deutscher?“ spricht sich
“Han-nes-shi
nin gogil saram i-ie-io?”
Wörtlich: “Hannes-Herr,-betreffend, Deutschland Mensch
sein?”
Keine zweite Person (die wird nur bei Klinkindern verwendet)
und kein andere Satzbau. Nur das Hochziehen der Stimme durchs Fragezeichen,
zeigt, dass es eine Frage ist.
Das „shi“ ist dabei irgendwie sowas wie ein „Herr“, also
eine höfliche Anrede. Die verwendet man aber mit einem Vornamen oder gleich den
ganzen Namen. Nicht mit dem Nachnamen. Das ist etwa wie zu sagen: „Heda! Namenloses
Gesicht!“ (Könnte daran liegen, dass 80% der Koreaner die selben drei Nachnamen
haben, und man dadurch nicht sehr gut differenzieren kann.)
Dazu kommt natürlich der Lifestyle. Ich erinnere mich daran,
wie Christoph der Jüngere begeistert von seinem tschechisch-deutschem
Stammtisch war. Das haben wir hier natürlich auch. (Nur halt koreanisch. Und in
Deutschland). Relativ witzgier, sehr hilfsbereiter Haufen, die alle zwei Wochen
sich kurz auf einbis drei Bier treffen, und sich relativ schnell auch wieder
verlieren (zum Glück). In jedem Fall hat man an einem Abend schon mehr gelernt
als man es durch Internetrecherche jemals könnte. Und das auch noch mit Spaß!
„[Taugenichts]-shi, du wirst Korea lieben. Koreanerinnen sind alle sehr schön.
Haben viel plastic surgery machen
lassen. Wird dir gefallen. Oder hast du Freundin? Oh, schade. Na ist ja noch
ein Jahr hin!“
Die Alternativen wären übrigens Rom, Dänemark, Paris,
witzigerweise Bern und natürlich Montreal gewesen. Rom war eine Wildcard weil
das Angebot neu ist. Montreal wäre mit Französisch verbunden
, und der Rest verliert
halt leider einfach.
Aber warum Korea? Wahrheit sei erzählt: Ich habe keine
Ahnung. Der asiatische Raum ist einfach mal was anderes, nach Rom fahr ich mal
ein Wochenende, einfach nur weil ich es kann und in Montreal würde mir ja die
ganze Zeit das Mutterschiff mit Anhang hinterherlaufen. (Wenn ich Smileys
verwenden würde, wäre an der Stelle so einer mit Punktstrich, und einem großen
"P", das ist schon klar, oder?) Leider mach ich mir keine Illusionen,
dass es sich jemand leisten will mir für viele Hundert Euro hinter her zu
fliegen.
Aber! Worauf ich mich komischerweise am meisten freue (neben
der Tatsache in einem der größten Fernsehländer der Welt zu sein („Oohhh, [Taugenichts]-shi
koreanisches Fernsehen ist langweilig. Sind alles nur love stories.“)) ist es, dass ich sowohl für meine alte
Lokalkulturzeitung, als auch für diesen Blog und natürlich fürs Dispositiv aus
drei verschiedenen Wahnsinnsperspektiven schreiben kann (Kulturkolumne,
Reisetagebuch, Medienwahrnehmung (Dispositiv: Gangnam-Style)). Ich bin gespannt.