Samstag, 3. November 2012

Unitagebücher: In den Fußstapfen...



Einige der großartigsten Entscheidungen meines Lebens wurden durch den nebensächlichen Vorschlag anderer Leute getroffen. Ich erinnere mich daran mit dem Gedanken von Deutsch und Sozi-Leistungskurs gespielt zu haben, bis eine Freundin meinte: "Und wieso machst du nicht einfach Kunst-LK?". Als die Frage war ob ich Zwerge oder Skaven in Warhammer spielen sollte, meinte ein Freund "Nimm Skaven." Als ich im letzten Semester meinen Bruder in Prag besuchte meinte er: "Geh doch auch mal für ein Semester ins Ausland.“

Und da bin ich jetzt, in den Fußstapfen meines Bruder (Danke dafür, Wirklich!). Mit meinen Hang zur Übertreibung reichen mir die paar hundert Kilometer nach Prag aber nicht. Weil ich kein Maß kenne muss mein Ziel über 8600 km entfernt sein. Wegen der Unfähigkeit zu wissen wann Schluss ist, muss ich nach Gwangju, an die Südspitze von Südkorea.
Von Südscheißkorea.
Da fang ich wohl besser mal an zu sparen, denn der Flug alleine kostet mindestens 600 Euro. Das sind sechs bis acht Wochen Arbeit. Sicherlich werde ich es vermissen mir Essen leisten zu können. Und bis dahin ist noch jede Menge zu tun. Ich habe mein schönes vier Tage Wochenende durch einen Koreanischsprachkurs am Montagabend - Mitten drin! - zerschossen. Ich bin von drei Germanistikkursen in der Woche, was mir die wunderherrliche Situation gegeben hätte nur noch zwei in den nächsten drei Semestern machen zu müssen, auf einen einzigen runter gegangen. Gleichzeitig habe ich mir ein Blockseminar geschnappt, dass ich mir während meines Koreaaufenthaltes jetzt sparen kann. Es gibt zwar die Möglichkeit durch ein learning agreement vor allem im Bereich der Medienproduktion und Kommunikationswissenschaften ECTS zu sammeln, die ich mir auf meinen Bachelor anrechnen kann, aber letzten Endes, werde ich so nicht darum herum kommen mir noch ein Jahr dran zu hängen. Nachdem ich ohnehin keine Studiengebühren zahlen muss, ist das aber nicht ganz so wild.

Bis dahin muss ich also Koreanisch lernen, was nun wirklich noch mal was ganz anderes ist.[1] Aber immerhin gibt es in der Volksschrift, wie sie sagen, ja nur zehn Vokalzeichen[2], aus denen man weitere 11 Diphthonge basteln kann.[3] Dann sind da noch die 14(!) Konsonanten, zu denen es sechs Doppelungen gibt. ("dd" (Was das selbe ist wie "tt", weil es zu kompliziert wäre zwischen hart/weich und stimmhaft/stimmlos zu unterscheiden, aber ein "gg" darf trotzdem guttural gesprochen werden, was mehr Spaß macht als es sollte.) ist zum Beispiel ein bisschen wie ein dumpfes "th". (Ein bidentales Frikativ, falls es wen interessiert.) Fast schon gälisch!).
Ich bin richtig froh, dass ich in der Linguistik nicht total versagt habe. Selten hat mir eine Wissenschaft so weiter geholfen wie jetzt. Mit deutscher Lingusitik und den daraus konstuierten Kenntnissen der englsichen Aussprache, kann man die meisten Laute meistern. Naja, fast.
Aber diese ganze Zeichen sind jetzt noch keine Schrift. Wie die meisten anderen Asiaten mögen auch die Koreaner ihre Silben mit arschvielen Vokalen drin. Jedes Schriftzeichen setzt sich aus einem Vokalzeichen (Das bei Gelegenheit wie zwei Vokale ausgesprochen wird.) und ein bis zwei Konsonanten zusammen.
Daraus folgt natürlich, dass sie das selbe Wort auf hundert Arten schreiben können. (Sogar, wenn man es in unsere Schrift überträgt, weil man bei vielen Zeichen keine eindeutige phonetische Entsprechung hat. Die primären Vokale (aus denen sich alle anderen zusammensetzen) sind: A, O, U, I, das Schwa und etwas unaussprechliches (wirklich), das in unserer Sprache einfach keinen Namen hat, aber oft mit einem e, einem i oder einem u(!?) transkribiert wird. Und anhören tut es sich wie der achte Ton, weil es natürlich mit zusammengekniffenen Zähnen gesprochen wird. Linguistisch ist es ein geschlossener ungerunderter Hinterzungenvokal. Oh ja.)
Der Professor, der für das Auslandssemester zuständig ist, hatte mich schon gewarnt. "Die schreiben ihre Dinger kreuz und quer!" Aber eigentlich ist es ganz einfach. Sobald man die Elemente drauf hat und aufhört an so etwas lächerliches wie Buchstaben zu denken, gewöhnt man sich daran, dass kein Wort wie das nächste aussieht.
Das ist jedenfalls das Ziel dieses Semester. Grundkurs 1. Und dann kann man vielleicht irgendwann mal anfangen Vokabeln zu lernen. Meine Nachbarin, die parallel anfängt Französisch im Grundkurs 1 zu lernen, hat da einen kleinen Vorsprung. Und das nicht nur, weil sie vier Jahre in der Schule mit der Sprache verbracht hat.
Die Grammatik ist größtenteils simpel. Es gibt z.B. keine Deklination.
Ein Satz wäre: „Tse nin Tau-ge-nitsch i-ie-io“
Das bedeutet: „Ich bin der Taugenichts.“
Wörtlich übersetzt: „Ich-betreffend Taugenichts sein.“
Die Post(!)position „nin“ zeigt einfach nur an, dass das Wort davor das Thema ist (nicht das Subjekt! Die Subjekt Postposition ist „i“ bzw. „ka“). Die Silben „ie“ bedeuten „sein“ und „io“ ist einfach nur eine Satzänderung (Fragt nicht). Verändern können sich beide Worte, aber nicht durch Grammatik, sondern durch laut. „Nin“ wird zum „In“, wenn das Wort davor auf einen Konsonanten endet, und „ie-io“, wird zu diesem „i-ie-io“. Das Ziel ist möglichst immer Konsonanten und Vokale abwechseln zu lassen. Weil das ja klar ist. Darum besteht das Wort „sein“ auch aus vier bis fünf Vokalen (in ihrer Zählweise zwei bis drei) und keinem Konsonanten.
Die Grammatik ist dafür umso einfacher. Satzfragen gibt es  beispielsweise gar nicht.
„Hannes, bist du Deutscher?“ spricht sich
“Han-nes-shi nin gogil saram i-ie-io?”
Wörtlich: “Hannes-Herr,-betreffend, Deutschland Mensch sein?”
Keine zweite Person (die wird nur bei Klinkindern verwendet) und kein andere Satzbau. Nur das Hochziehen der Stimme durchs Fragezeichen, zeigt, dass es eine Frage ist.
Das „shi“ ist dabei irgendwie sowas wie ein „Herr“, also eine höfliche Anrede. Die verwendet man aber mit einem Vornamen oder gleich den ganzen Namen. Nicht mit dem Nachnamen. Das ist etwa wie zu sagen: „Heda! Namenloses Gesicht!“ (Könnte daran liegen, dass 80% der Koreaner die selben drei Nachnamen haben, und man dadurch nicht sehr gut differenzieren kann.)

Dazu kommt natürlich der Lifestyle. Ich erinnere mich daran, wie Christoph der Jüngere begeistert von seinem tschechisch-deutschem Stammtisch war. Das haben wir hier natürlich auch. (Nur halt koreanisch. Und in Deutschland). Relativ witzgier, sehr hilfsbereiter Haufen, die alle zwei Wochen sich kurz auf einbis drei Bier treffen, und sich relativ schnell auch wieder verlieren (zum Glück). In jedem Fall hat man an einem Abend schon mehr gelernt als man es durch Internetrecherche jemals könnte. Und das auch noch mit Spaß!
„[Taugenichts]-shi, du wirst Korea lieben. Koreanerinnen sind alle sehr schön. Haben viel plastic surgery machen lassen. Wird dir gefallen. Oder hast du Freundin? Oh, schade. Na ist ja noch ein Jahr hin!“

Die Alternativen wären übrigens Rom, Dänemark, Paris, witzigerweise Bern und natürlich Montreal gewesen. Rom war eine Wildcard weil das Angebot neu ist. Montreal wäre mit Französisch verbunden[4], und der Rest verliert halt leider einfach.
Aber warum Korea? Wahrheit sei erzählt: Ich habe keine Ahnung. Der asiatische Raum ist einfach mal was anderes, nach Rom fahr ich mal ein Wochenende, einfach nur weil ich es kann und in Montreal würde mir ja die ganze Zeit das Mutterschiff mit Anhang hinterherlaufen. (Wenn ich Smileys verwenden würde, wäre an der Stelle so einer mit Punktstrich, und einem großen "P", das ist schon klar, oder?) Leider mach ich mir keine Illusionen, dass es sich jemand leisten will mir für viele Hundert Euro hinter her zu fliegen.
Aber! Worauf ich mich komischerweise am meisten freue (neben der Tatsache in einem der größten Fernsehländer der Welt zu sein („Oohhh, [Taugenichts]-shi koreanisches Fernsehen ist langweilig. Sind alles nur love stories.“)) ist es, dass ich sowohl für meine alte Lokalkulturzeitung, als auch für diesen Blog und natürlich fürs Dispositiv aus drei verschiedenen Wahnsinnsperspektiven schreiben kann (Kulturkolumne, Reisetagebuch, Medienwahrnehmung (Dispositiv: Gangnam-Style)). Ich bin gespannt.


[1] Wer keine Lust auf Linguistikgefasel hat, sollte beim nächsten Durchschuss weiter lesen.
[2] Zehn Vokale. Da schauen unsere fünf bekannten Laute ziemlich schwach dagegen aus. Das "e" gehört übrigens nicht zu den zehn, sondern baut sich wie ein Diphthong. Ja, ich bin auch der Meinung, dass das kein Diphthong ist.
[3] Basteln nicht wie: "a + e = ae", sondern eher wie "i + a = e". Also phonetisch gedacht. Oder „i + o = ö“
[4] Nein, Französisch ist und bleibt keine Option. Die Kurse sind hässlich und überfüllt, und im Gegensatz zu Koreanisch erwarten die Menschen, dass man es danach tatsächlich kann.

1 Kommentar:

  1. na sei dir da mal nicht so sicher. so weit ist das nicht. San Francisco scheint auch nicht weiter zu sein

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