Freitag, 23. März 2012

Slackerrecords: Aus dem Leben eines Taugenichts # 1

Es ist eigentlich gar nicht so spät, irgendwann nach Neun, nie nach Elf Uhr, wenn sich der Taugenichts in seiner Verantwortungslosen Zeit aus dem Bett schält. Müde öffnet er die Zimmertür und sieht vielleicht noch eine entfernt menschliche Gestalt, gegen das gleißende Licht der Morgensonne.
„Huwu Ahm wupfmnim“, sagt er schlaftrunken und torkelt zum morgendlichen Stuhlgang.
Erleichtert und mit schon mal halb geöffneten Augen zieht er sich zurück, Richtung Küche. Wer auch immer da im Licht gestanden war ist jetzt fort. Der Bademantel, der gerade noch mal aufgegangen ist, muss nicht wieder zu gemacht werden, und das macht den Taugenichts ganz froh, dass er so frei und unverklemmt in der Luft hängen kann. Er öffnet das Küchenfenster und sieht auf die Straße.
„HmmverfluchteJoggerelendesSportlerpackscheißGesundheitsnazis…“, brummt er – wisst ihr was er meint? – und nimmt sich Löffel, Schüssel und Milch aus dem Kühlschrank mit in sein viel zu großes Zimmer, um das Leben zu leben. Der erste Knopfdruck startet den Laptop, der zweite den Fernseher. Er sucht sich eine DVD raus, und wirft sie in den Player. Wenn er wieder auf seinem Schreibtischstuhl sitzt, ist der Rechner auch schon wieder hochgefahren. Mit einem entspannten Kratzen in seinen Niederlanden resigniert er ca. zehn E-Mails, die in den letzten Zwölf Stunden eingeflogen sind. Er reibt seine Augen und fragt sich kurz, wieso so viele Menschen ihm schreiben, was das soll, und erklärt wo sie hin fahren können. Ein Blick auf die IM-Programme soll ihm sagen, ob jemand interessantes zum chatten da ist. Dann fällt dem Taugenichts ein, dass ihm gar niemand einfällt, mit dem er im Moment schreiben wollte. Selbstzufrieden nickt er die Erkenntnis ab, und freut sich gar, über das holde Schicksal, dass ihn in die Situation gebracht hat mit niemanden reden zu müssen, wenn er das nicht will. Nebenher läuft schon lange seine hundertste Wiederholung von Buffy, und kurz hält er inne, um sich zu wundern, wie weit er in der Serie schon wieder ist. Die E-Mails werden alle sehr oberflächlich durchgeschaut und schnell wechselt er zum Internetbrowser. Facebook ist wie immer langweilig, bis der Taugenichts ein, oder zwei Kommentare entdeckt, in denen sein Eingreifen notwendig ist.
„Wo die Welt so ihre bloße Kehle zeigt, muss zugepackt werden, bis sie blau anläuft und um Gnade winselt.“ Es dauert ein bisschen, bis der Taugenichts merkt, dass er die letzten Worte laut ausgesprochen hat.
Dann wird das private Netzwerk verlassen uns apathisch werden Nachrichtenseiten nach interessanten Artikeln durchsucht.
„Nichts von alldem betrifft mich in irgendeiner Weise! Aber es macht wütend, dass irgendwo irgendwas passiert und niemand etwas dagegen unternimmt!“
Der Taugenichts hat ja sein Frühstück vergessen. Das war schon wieder die erste Folge von Heute, Nummer zwei wird gestartet.
Die Nachrichtenseiten, die gerade noch über weltbewegende Ereignisse berichtet haben verändern sich und berichten, über Serien, Popkultur und den allgemeinen Internetwahn. Irgendwo dazwischen liest sich der Taugenichts durch Scott Stevensons wöchentlichen Beitrag in „USA Erklaert“ durch. Nachdem alle Links im Beitrag erforscht wurden, alle Folgelinks durchgrast, ist es auch schon Zeit für Folge Nummer Drei.
Da klingelt es an der Tür. Es schnauft und keucht der nicht mehr ganz junge Postbote, der das Paket vorbeibringt.
„[Mutter der Mitbewohnerin]?“ fragt er. Der Taugenichts rollt mit den Augen.
„Ja, [Mitbewohnerin] ist meine Mitbewohnerin.“ Er verschweigt, dass die Mitbewohnerin die Tochter der Adressatin ist. Scheinbar hat die gute Frau bei Amazon wieder auf die falsche Versandadresse geschickt.
„Hum, ich brauche mal wieder anständiges Entertainment. Es ziert sich nicht, dass ein Medienwissenschaftler so schlecht ausgestattet ist, sagt er, als er durch seinen Ordner mit Verknüpfungen zu alten Spielen geht. Er klickt auf einen Icon seiner Wahl. Und die nächsten beiden Folgen vergehen wie im Flug. Bis der schreckliche Moment gekommen ist und die DVD gewendet werden muss. Jetzt ist irgendwann zwischen zwölf und dreizehn Uhr.
„Mittagessen! Großartig!“
Der Bademantel weht, als sich der Taugenichts in die Küche begibt und seine Vorräte scannt, obwohl er genau weiß, dass er nicht das hat was er braucht. Unwillig einkaufen zu gehen, wird er etwas kreativ und erschafft Essen aus dem Staub des Kühlschranks.
„Angebratene Zwiebeln mit Schupfnudeln Schinken und eine improvisierten Käsesahnsoße! Käsepampe! Mein Leibgericht!“
Der Gourmet teilt sich zwischen seinem DVD-Regal und dem Haufen angebrochener Serien unter seinem Fernsehen auf, bis er sich für ein etwas ernsteres Drama entschieden hat. Das ist Taktik. Solange das Essen auf dem Tisch kalt wird, kann er sich nicht zu lange aufhalten, aber ohne Fernsehen zu Essen wäre fatale Verschwendung von Zeit. Er setzt sich in sein Sofa, während er darüber nachdenkt was er in seinem Leben alles richtig gemacht hat, und welcher Teil davon nicht sein Verdienst war. Er kommt jedes Mal zum Schluss, dass er damit eigentlich nicht zu tun hat und nur einen sehr glücklichen Arsch hat. Er hat sogar jede Menge Fehler begangen und trotzdem wird ihm voll eingeschenkt. Nicht vor zu stellen, was passiert wäre, wenn er auf seinen Vater gehört hätte, und Theologie studieren… Nein, das ist wirklich ein zu furchtbarer Gedanke. Er könnte jetzt damit beschäftigt sein Hausarbeiten zu schreiben, oder Klausuren. Lächerlich!
Das ernstere Drama braucht volle Aufmerksamkeit, also tut der Taugenichts nach dem Essen nichts, außer es sich auf seinem Sofa gemütlich zu machen. Er bemerkt nach dem Ende der letzten Folge, wie spät es ist. Er hatte doch noch so viele Pläne für den Tag! Er wollte, einkaufen und malen und schreiben und die lästige Pflicht des Tages erfüllen.
„Was ist eigentlich die lästige Pflicht des heutigen Tages?“ fragt er sich selbst. Er schaut in seinen Kalender und beschließt, dass heute der perfekte Tag ist, um einen Arzttermin auszumachen. Gesagt, getan! Der Taugenichts ist ein Mann der Tat! Er braucht vielleicht fünf Stunden eitles Nichtstun, bis er etwas tut, aber dann muss es getan werden. Mutig sucht er sich die Nummer seines Pneumologen hinaus und lässt einen Termin vereinbaren.
„Nächster Dienstag! Ausgezeichnet! Ich werde da sein!“
Pfuh! Das war wieder ein Aufwand. Besser der Taugenichts erholt sich ein wenig, bei einer entspannenden Aktivität. Es fühlt sich heute nach malen an, beschließt er und holt seine Malkiste und greift sich die größte Leinwand, die er finden kann. Nur was malt er heute? Egal, er sucht sich erstmal eine Serie, zum nebenher ansehen. Wieso nicht die DVD die schon drin ist? Also wird die erste Six feet under Staffel eben zu ende gesehen. Six feet under… Beerdigung… Tod… malen wir doch einfach noch ein Bild von meinem DnD Charakter. Als der Flow gerade richtig anfängt zu... flown, klingelt es an der Tür.
„Das ist bestimmt wieder ein Postbote der irgendwas langweilig für irgendjemanden langweiligen bringt, der nicht Ich ist und dann noch nicht einmal den Anstand hat daheim zu sein.“ Der Taugenichts schleift sich zur Tür und lässt die Leute unten rein. Dann überlegt er sich, wie er die dreißig Sekunden, die Werauchimmer für die Treppen braucht, produktiv nutzt. Er beschließt sich eine Hose anzuziehen. Aber dann klopft es an der Tür. Wer auch immer steht schon oben. Es kann nur die Nachbarin sein, die sich beschwert, dass der Flur nach unserer letzten Hausordnung nicht genug geglänzt hat. Im Bademantel öffnet er.
„Wer stört?“ Er konnte so öffnen, weil er wusste, dass die Nachbarin nicht gut genug deutsch konnte, um sein Genuschel zu verstehen. Allerdings wurde er überrascht. Eine runde Frau und eine junge Frau, viel mehr ein Mädchen, standen vor der Tür. In der Hand Prospekte. Die runde Frau lächelte ihn an, während die Junge Frau mit ihren viel zu großen Wimpern klimperte und ihn verstohlen ansah. Unter anderen Umständen, sehr effektiv, um mich dazu zu bringen Dinge zu tun, die ich sonst nicht tun würde. Die Umstände blieben aber. Blond gefärbte Haare. Sie wollen was verkaufen.
„Guten Tag.“ Die alte Runde streckte mir einen Flyer entgegen. „Wir wollten Sie nur über den Tod unseres Erlösers informieren.“ Der Taugenichts überflog den Zettel. Arme Verwendung von Platz. Keine übersichtlichen Informationen. Zu viel Text. Zu wenige Bilder. Er war nicht interessiert. Nur eines wollte er noch wissen. Wer waren diese Leute? Könnte es sein…? Ganz unten fand er die Antwort auf seine Frage. © 2012 Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania. STRIKE!
„This is gonna be fuuuun“, dachte sich der Taugenichts in Communitys Brittas Stimme.
Sofort flogen seine Gedanken weiter zu Jehovas Most Secret Witness. Die Folge hatte er doch erst gestern gesehen. Da fällt ihm ein, dass heute eine neue Folge online sein sollte. Aber dafür war jetzt keine Zeit. „Unser Erlöser? Der Typ mit dem Bart und der Dornenkrone, richtig? Aber ich glaube doch gar nicht an Jemus.“ Eine klare Simpsonsreferenz. Völlig verschwendet an die Audienz.
„Ja, Jesus, unser Erlöser-“
„Aber ist er nicht Weihnachten gestorben? Ich dachte das dürft ihr gar nicht feiern. Hattet ihr nicht irgendwas gegen – ähm – Feiern und Spaß?“
An dieser Stelle lehnte der Taugenichts sich entspannt an seinen Türrahmen. Dazu musste er etwas nach vorne treten, in die Aura der Fremden. Im Traum hätte er nicht dran gedacht, dass das funktioniert. Der Bademantel tat seine Pflicht und sprang auf. Nur viel zu enge Unterhosen und sein Paar Hausschuhe bekleideten den Taugenichts.
Die Frau wich einen kleinen Schritt zurück und schaute pikiert. Das Mädchen sah Hilfe suchend zu ihre herüber. Der Moment war zu köstlich, um ihn nicht auszunutzen.
„Und was ist mit dir?“ wendete er sich an die errötende Blondine hinter dem Rücken der anderen. „Wirst du hier nur mitgeschleift und hast eigentlich kein Interesse an dem ganzen Scheiß? Oder wurdest du seit jungen Jahren der Gehirnwäsche unterzogen?“
Der Taugenichts bemerkte, dass sein Herz raste. Er war noch nie so grundlos respektlos gegenüber Fremden. Freunden, Familie, Kollegen, freilich, aber Fremde? Das war Neuland. Dann wiederum sind sie selber Schuld, wenn sie mit solchen schlechten Flyern hausieren gehen.
„Wir wollten Sie nur wissen lassen, dass der Erlöser für Sie gestorben ist.“
„Na, das haben sie jetzt ja getan. Ich hoffe die verschwendeten Stunden machen sich im Jenseits bezahlt.“ Und da knallte er die Tür zu.
In dem Moment fielen ihm all die Sachen ein, die er hätte sagen sollen. Ach, eine weitere Gelegenheit, die nicht ausreichend genutzt wurde. Verflucht!
Das Küchenfester stand noch offen. Wieder einmal war es Zeit sich hinaus zu lehnen, und über wahllose Passante zu schimpfen.
„Verfluchte Inlinefahrer! Fahren da so rum auf meinem Gehsteig und glauben, dass das in Ordnung sei! Ist denn schon Sommer, oder Was?“ Er hält einen Moment inne, als er bemerkt, was der Pflasterboden mit dem in der Sonne glänzenden Oberkörper der Brünetten Inlinerin macht.
„Ein guter Tag, um Inline zu fahren“, entscheidet der Taugenichts und schließt endlich das Fenster.

Donnerstag, 15. März 2012

Slackerrecords: Mal wieder ein Theaterbeitrag

Und wieder mal sitze ich da mit dem Drang euch zu erzählen, leider völlig ohne zu wissen was.
Ich könnte euch berichten, was alles so in Prag vorgefallen ist, und vielleicht tu ich da auch.

Wir waren da also von Freitag bis Montag. Ich will von den Höhepunkten erzählen:

  1. Fleisch mit Fleisch! Schweinemedaillons in Bacon eingewickelt!
  2. Semmelknödel mit Fleisch!
  3. Würste mit Wurst!
  4. Frittierter Käse!
  5. Honigkuchen!
  6. Was habe ich vergessen?

Dann kommt heute Abend das Bergfest. Der Sturm ist schon wieder halb vorbei. Vielleicht passiert etwas Aufschreibenswürdiges.

Außerdem versuche ich gerade mein verkümmertes zeichnerisches Talent wieder etwas aufzuwecken. Funktioniert leider nicht so ganz… Ich zeige euch einfach mal was von heute und was von damals, dann könnt ihr vergleichen und selbst entscheiden… Am besten irgendwas mit einem möglichst gleichen Motiv… Ja, ich erzähle euch was ich hier denke, aber wenn ich das veröffentliche hab ich alles rausgesucht, also ist es völlig belanglos.

Das hier ist Summer Glau, abgemalt kurz nachdem ich mein Grafiktablett bekommen habe.









Das hier ist von gestern. Es hört auf den Namen „Zufällige Asiatin“.

Das einzige was besser daran ist, ist dass es nicht abgezeichnet ist, Mut zu (einer) Farbe hat und in einem viertel der Zeit entstanden ist. Was bringt das, wenn es dadurch nicht besser wird?







Jetzt habe ich mir überlegt, ob ich nicht öfter Bilder in meine Beiträge bauen will.

Junge, oh Junge, bin ich froh, dass ich noch gewartet habe und diesen sonst sehr mageren Beitrag noch nicht vor dem Bergfest abgeschickt habe.

Ja Skandale gab es nicht. Es gab keinen Totalabsturz und ich bin nicht im Bett neben allzu schönen Juristinnen aufgewacht. Tatsächlich bin ich noch nicht mal Schlafen gegangen, sondern wach und nüchtern genug, um das jetzt noch zu schreiben. Vielleicht bemerkt ihr ja einen Unterschied zu sonst. Würde an dem guten Met liegen, der noch durch meine Adern fließt. Aber ich schaff es nebenher noch einem Kommilitonen beim Essay zu helfen, also kann es so schlimm nicht sein. Auch wenn mein Kopf etwas drückt. Das kenn ich so noch gar nicht.

Warum gibt es keine Skandale? Wieso kann ich euch nicht brühwarm die Details meiner „bohemen“ Katastrophen ausbreiten? Glaubt mir, es wäre mir heute ganz recht mit viel zu vielen schwarzen Haaren im Gesicht aufzuwachen und mich erst langsam wieder an Abend und Nacht davor zu erinnern, in dem Wissen, dass so schön nicht ein zweites Mal wird. Was heute aber interessant ist, ist nicht das Bergfest, sondern die Aufführung selber. Das ist komisch, weil mir persönlich die Aufführungen immer am unliebsten sind. Die Proben, der kreative Prozess, die Charakterentfaltung, das sind die Sachen die mich reizen, Aufführungen, sind dann das, was man machen muss, um dafür das Geld zu verdienen. Oder in dem Fall das Geld für andere.
Zuerst will ich aber trotzdem mal beim Bergfest bleiben. Ich habe heute endlich mal Gelegenheit gehabt mit dem vom Herren Baron angefertigten Met anzugeben. Leider wurde dabei viel zu viel davon getrunken. Meine Vorräte sollten aber noch reichen. Vor allem da die Moerserin ihren seit Januar geplanten Besuch schon wieder abgesagt hat. Diesmal aber aus durchaus verständlichen Gründen wie einen Job. Und das ist ja immer wichtiger wie das Privatleben. Was war da noch Gutes? Käse! Schöner Italienischer Hartkäse mit allzu gutem Brot! Leider hat mich der so aufgehalten, dass ich gar nichts mehr von der Mousse au Chocolat abbekommen habe. Dafür war der Weißwein dazu umso besser. Für die zahlreichen Weins und Mets die heute über den Tisch gegangen sind, ist man aber noch erstunlich nüchtern. Vielleicht entwickelt man inzwischen ein Immunsystem gegen im Theater zu sich genommene Alkoholika. Übung macht den Meister? Der Nudelsalat war nicht zu verachtne. Der Ziegenkäse super und Kiwis sowieso.

Aber genug vom Essen. Die Aufführung!
Vorab das: Vor eine Aufführung sind immer alle Leute sehr mit sich selbst beschäftigt, und alle Aufmerksamkeit, die nicht an die eigenen Aufgaben, Schminke und Kostüme verloren geht, werden für blöde Kommentare verwendet. Den generellen Inhalt will ich euch hier sparen. Das schöne am Theatervolk ist ja der, dass sie sich zwar für nichts zu schade sind, aber in der Regel ein relativ hohes Maß an Bildung mitbringen. Es wird bisweilen also sehr witzig.

So witzig, dass man es gar nicht merkt, wenn mal eine fehlt. Wieso? Unsere Regieassistenz, die pro Forma die Abendleitung übernimmt ist eine Schlafkappe. Das macht aber nichts, weil eigentlich hat sie nichts zu tun und es ist alles fein. Es trifft ihn auch gar keine Schuld, weil er sich im Folgenden als Held herausgestellt hat. Das ist zwar nicht sehr logisch, aber so scheint das menschliche Hirn zu funktionieren. In Wirklichkeit hätte es ja auch nichts gebracht, wenn wir noch rechtzeitiger bemerkt hätte, dass [der Prinz] aus unseren Reihen fehlt.

Der Prinz erinnert mich sehr an mich, als ich mein erstes Stück an dem Theater hatte. Sehr eingeschüchtert und den Arsch (noch) nicht in der Hose, um sich den Platz zu schaffen, den man sich unter dem sehr einnehmenden Theaterleuten manchmal machen muss. Umso schlimmer wird es ihn treffen, wenn er wieder zurückkommt.
Er ist also einfach nicht aufgetaucht. Vierzig Minuten vor der Vorstellung, kam uns das sehr spanisch vor. Er war ja schon immer einer der spät dran war, weswegen man gerne noch mal fünf Minuten wartet, bevor man sich wunder, weitere fünf Minuten, bevor man etwas unternimmt. Ans Handy ging er nicht ran. Wir kennen dieses „einfach nicht ran gehen“ daher, dass diese Leute meistens spät dran sind, und in dem Moment, in dem sie angerufen werden, gerade in die Straße einbiegen. Weitere fünf Minuten warten wir… Es wird langsam Zeit sich einzusingen - weil jede anständige Theatergruppe auch noch ein leistungsfähiger Chor wäre! Wir beginnen Festnetznummern herauszusuchen und anzurufen. Irgendwann meldet sich der Vater. Sein Sohn sei nicht zu Hause und vermutlich in der Turnhalle im nächsten Kaff und spielt irgendeine Sportart. Also los! Ins Theatermobil! Wie die wilden fahren zwei Schauspieler los zur beschriebenen Turnhalle, um den armen Kerl niederzuschlagen und ins Auto zu schleppen – die Maskenbildnerin auf dem Rücksitz, um ihn beim Hinweg zu bemalen. In der Zeit bauen wir seine Sachen auf und stehen mit seinem Kostüm bereit. Er muss sich also nur noch entblättern und dreimal durchatmen, bis er Spielfertig ist!
Satz mit X? In der Turnhalle ist er nicht. Mehr noch. Die Turnhalle ist komplett leer! Da wird doch wohl nicht etwa jemand seinen Vater angelogen haben? Wo könnte er noch sein! All seine Verwandten und Freunde wurden durchtelefoniert. Wir kamen nicht an ihn ran. An sein Handy ging er immer noch nicht. Wir vermuten, dass er eine geheime Freundin hat, bei der er nicht gestört werden wollte. Ach, noch einmal jung sein…

Was tun wir also? Von der Regie, die gerade eben noch da war, aber sich sobald sie gehört hatte, dass etwas nicht stimmt, verzogen hatte – Finden wir das in Ordnung? – kam dann via Handy der Befehl: Absagen, Geld zurückgeben, Heim gehen. Das führungslose Ensemble (denn was bedeutet eine Stimme am Telefon schon…) hat sich jetzt beraten. Die Vorstellung so gut machen wie es geht, oder wirklich absagen. Ein Publikum mit so gar nichts nach Hause schicken ist eigentlich immer das schlechteste. Aber eine Aufführung mit einem fehlenden Darsteller, der auch noch eine Doppelrolle hat und gigantische Musikeinlagen, das ist schon hart. Das merkt auch ein schlafendes Publikum. Wir wollten uns gerade dazu entscheiden, dass wir das Publikum vor diese Wahl stellen, als von unten die Nachricht kam, dass sie bereits dabei sind die Leute heim zu schicken. Die ganze Diskussion gab es vor allem weil mindestens sechs Besucher aus Hamburg da waren, die natürlich nicht einfach Mal so wieder kommen können, wie normale Zuschauer aus meiner neuen Heimat.

Ich bin ja mit dem Gymnasium an einem zumindest in der Theorie semiakademischen Zirkel aufgewachsen. Was hat man da für ein Problem? Es wird immer stundenlang diskutiert. So auch jetzt. Also beschloss ich mich dazu mich zu duschen und unseren ganzkörperbemalten Caliban wieder sauber zu schrubben. Aber zuerst musste ich noch etwas anderes erledigen. Ich stellte mich vor unseren Einsingsaal, der mir inzwischen ein bisschen wie die neue Streikzentrale vorkam, und wartete auf das, was gleich kommen musste. Die Insassen diskutierten noch viel zu lange über Dinge, die eh schon entschieden waren und dabei gingen die beiden Frauen unter, die Hamburger besuch hatten. Die liefen dann in meine offenen Arme, als sie schluchzend – Ja, Theatervolk ist nun auch sehr sensibel – aus dem Saal stürmten.
Muss alles getan werden. Ich begleitete die blutjunge Miranda und ihre Mutter Prospera in die Umkleide und schon erreichte mich die Nachricht: Wir spielen trotzdem! Wer noch da ist soll sich in diese sehr spontane öffentliche Probe rein setzen, damit die Angereisten auf ihre Kosten kamen. (Denkt drüber nach. Leute kommen aus Hamburg um uns zu sehen.) Schnell zog ich Caliban aus der Dusche, damit seine wertvolle Farbe nicht abging und zog mich selber wieder um. Jetzt galt es. In wenigen Sekunden habe ich mit meinem Gegenüber dieses Stückes die betreffenden Szenen bei denen er auf und hinter der Bühne gefehlt hatte uminszeniert und umgestaltet, die etwas überforderte und sehr nervöse Regieassistenz hat den Text eingetrichtert bekommen und den Säbel des Prinzen angeschnallt bekommen und wurde einfach so auf die Bühne geworfen. Es war ein Fest! Er selber hat sich gut geschlagen und konnte nur der Held sein. Selbst wenn er es versaut, hatte er ja nie eine Probe oder irgendeine Zeit sich vorzubereiten. Und es gelang erstaunlich gut. Ein bisschen Manöver von seinem Gegenüber, ein bisschen soufflieren von einem Ariel und sehr viel extra Arbeit von uns Allen (Ich musste gleichzeitig Zimbeln und ein mir vollkommen unbekanntes Lied auf der Gitarre zupfen. Und ich habe gesiegt!) und schon war die Vorstellung schon wieder vorbei!

Was für ein chaotischer Haufen, hu? Der Kapitän verlässt das sinkende Schiff, kümmert sich nicht um seine Mannschaft und nicht einmal die Schauspieler sind immer da. Das passiert aber nur alle Jahre mal. Und dann ist es meistens so, dass der Schauspieler noch erwischt wird, und man dann eben etwas später anfängt. Laientheater, yay! Dass jemand total in der Versenkung verschwindet und gleichzeitig die Aufführung vergisst, ist – so sagen es die Veteranen – in dreißig Jahren noch nicht vorgekommen.

Es kam auch eine Entschuldigung vom Schauspieler. Höchst förmlich, sehr nett. Der wird sich ganz schön was anzuhören haben, wenn er am Dienstag mit eingeklappten Ohren angeschlichen kommt. Er könnte einem fast Leid tun.

Unser Häuptling und Regisseur telefoniert im Moment das ganze Ensemble durch, um sich für sein Verschwinden zu entschuldigen. Die einzigen die Toben sind die Geldmenschen vom Theater, die alle Zuschauer wieder auszahlen mussten.

Und so haben wir also die letzte Aufführung der ersten Hälfte unseres Sturms gerettet. Seht witzig und für uns jetzt schon eine Geschichte die sich schön erzählen lässt, denn natürlich habe ich euch nur die Kurzfassung erzählt, denn Über drei Seiten gehe ich ungern raus. Und das habe ich jetzt getan.

Freitag, 9. März 2012

Slackerrecords: Drogenkonsum, Comics und der oberste König

Morgen geht irgendwie nach Prag. Ich weiß noch nicht genau wann, und ob nicht vielleicht doch erst übermorgen, oder sonst was. Aber innerhalb der nächsten 36 Stunden, so bin ich mir sicher, werde ich da sein und Christoph den Jüngeren in seiner neuen Heimat betrachten. Dann werde ich an meinem imaginären Bart zupfen und „Humm“ brummen. Darauf werde ich feststellen, dass er eigentlich gar nicht mehr nach Deutschland zurück will, sondern gleich da bleiben wird. Und dann wird seine Comicsammlung mir gehören…
Was noch? In weniger als fünf Stunden wird in einer vierminütigen Prozedur mein Patenkind Ozymandias, König aller Könige, in die Welt gebracht. Ich möchte noch mal betonen, dass es sich dabei nicht um meinen leiblichen Sohn handelt.

Und damit dieser kleine Zwischenstand nicht gar so armselig ist noch eine völlig vorhersehbare Geschichte.
Ich komme gerade vom Rollenspielen (Eclipse Phase. Sehr Interessant!) und habe anschließend noch zwei Mitspieler nach Hause gefahren (Jemanden mit Auto in der Stadt zu kennen ist ein zwei Punkte Kontakt). Als ich gerade den ersten an der Straße raus gelassen habe, erschrak ich über die beiden hellen Lichter im Rückspieler. „Cops!“ schrie mein Beifahrer im vollen Melodrama! Und natürlich sah ich das allzu vertraute rote Blinkelicht: Stop – Polizei. In gelangweilter Routine fuhr ich an den Straßenrand und kurbelte die Scheibe runter… Ihr kennt den Rest der Geschichte. Heute musste ich keine Aussagen machen und nicht ins Röhrchen pusten. Dafür wurde ich nach meiner Drogenvergangenheit befragt.
„Haben sie Drogen konsumiert?“
„Nein.“
„Sicher?“
„Ja.“
„Davor schon mal?“
„Nein.“
„Noch nie?“
„Ja.“
„Kennen sie Leute die Drogen konsumieren?“
„Ja.“
„Aber mitgemacht haben sie nie?“
„Nein.“
„Wenigstens einmal?“
„Nein.“
„Hat kürzlich jemand Drogen in ihrer Anwesenheit konsumiert?“
„Nein.“
„Sicher?“
„Ja.“
„Hatten sie in der Vergangenheit schon mal was mit der Polizei zu tun?“
Und da war er wieder der Ups!-Moment. Ich verkürzte auf:
„Ja.“
„Und was war das?“
„Straßenverkehr, halt.“
„Aber sonst nichts?“
„Nein.“
Das war einfach. Dann wollte er mir noch in die Augen leuchten. (Das kannte ich noch nicht! Das war aufregend!)
„Sehr vorbildlich,“ komplimentierte er die Reaktion meiner Augen. Meine Jungs! Und dann fuhr ich auch schon wieder weiter…

So ist das, wenn man nachts durch die leere Stadt fährt und dabei ein Taugenichts ist. Man wird zur Verkehrskontrolle angehalten.