Montag, 22. Oktober 2012

Unitagebücher: Von Hausarbeiten und Wochenenden



Warum zur HöHÖlle ist es 5:51 Uhr, wenn ich mich aus dem Bett rolle?
Ich sitze an meinem Schreibtisch und Spiele Seuchenmenetekel mit einem Teebeutel in einer Tasse heißem Wasser. Zwei Kurse, hintereinander, frühs um acht Uhr. Beides mal ein EDV Doppel"verzahnungsmodul". Wer legt Pflichtveranstaltungen, denn auf so eine Uhrzeit? Weiß das Rechenzentrum denn nicht, dass wir Geisteswissenschaftler sind? Als wären wir von Trotteln umgeben! Zum Trost kann ich mir immer sagen, dass es Mittwoch ist und das meine erste Veranstaltung die Woche. Vier Tage Wochenende: Yay! Aber acht Uhr?
Und wieso muss ich dann auch noch so irre früh aufwachen? Ist ja widerlich.
Aus irgendeinem Grund hilft es immer zwanzig Minuten damit zu verbringen das Don Camillo Thema zu hören. Auch der erste Tee am morgen - Eine latente Schwarzteesucht, die sich da zu entwickeln beginnt? - ist hilfreich. Und schon sind es nur noch eineinhalb Stunden, bis man Duschen verpasst hat und durch die kalte Nachtluft zur Uni fährt. Frrrr....

So siehts also aus: Uni hat wieder angefangen. Letzten Freitag habe ich meine letzte Hausarbeit abgeschlossen ("Letzte" meint, es gibt nur noch eine, die aber erst zum sechsten Semester, "irgendwann vor der Bachelorarbeit" fällig ist). Ich dachte mir ich könnte dann mit den Semesterferien anfangen und noch vier Tage ganz gemütlich mit Kollegen aus aller Richtung in der Stammkneipe rumhängen. War wohl nix.
Während sich meine Rothaarige eine schöne Zeit mit ihrer eigenen Hausarbeit gemacht hat, habe ich nach Fremdunterhaltung gesucht. Dazu musste ich mal wieder auf andere Menschen ausweichen. Mein Kommilitone und Waffenbruder, Mauricius genannt, mit dem ich immer viel Zeit in der Stammkneipe verbracht habe, war leider selber beschäftigt, also habe ich meiner Nachbarin bei ihrer Hausarbeit unterstützt. (Die hat sich wenigstens helfen lassen.) Am Samstag saßen wir aus ganz anderen gründen mit der Taugenichtsin zusammen und sie kam auf mein Angebot zum Korrektur lesen zurück "Ich schicks dir dann morgen Nacht, kurz vor Abgabe."
"Ähm..."
Sofort mischte sich die Taugenichtsin ein, weil dass das ist was sie tut: "Oh, du korrigischert ihre Hausarbeit? Ich schick dir meine morgen Abend auch noch!"
"Ööh..."
"Aber bitte nicht zu spät, ich will noch mal drüber gehen."
So war mein Wochenende nicht geplant. Naja. Das kriegen sie halt alles bei der Korrektur zurück. Aber vielleicht, so dachte ich mir, komm ich ja noch durchs ignorieren der kleinen lieb gewonnenen Nervensäge raus. Ich wendete mich wieder an meine Nachbarin.
"Das ist zu spät. Am Abend will ich [in die Stammkneipe] gehen, ich brauch deine Arbeit bis 17 Uhr."
Und weil ich mein Maul nicht halten kann und sie handfeste Motivation braucht, habe ich weiter geredet: "Sonst bist du meine kleine Sklavin. Bei jedem künstlerischen Projekt, bist du meine Dienerin und gehst wohin ich dich sende."
Ich war immer noch nicht fertig.
"Nackt."
Sie sah mich von unten her; durch ihre große Brille hindurch, an. (Sie hat so eine klein und putzig/Kindchenschema-Sache  am Laufen.) Sie war sehr ernst. Ihre Mundwinkel zuckten, als ob sie es abwägen würde.
"Nicht nackt."
Die Verhandlungstaktik eine überzogene Forderung durch eine noch viel überzogenere Forderung zu mildern und durch zu ringen funktioniert leider immer noch.
"Okay."
Was für einen Deal sie da einging, ist ihr vermutlich noch gar nicht klar gewesen.
Der Rest der Geschichte steth geschrieben. Am nächsten Tag bat sie um Verlängerung von 17 bis 19 Uhr. Dann bis 22 Uhr. Dann bis 24 Uhr, und dann bis morgen früh.

Was mich erreichte war eine Hausarbeit in 8 Punkte, ohne Gliederung und Unterpunkte. Ohne letztes Kapitel, ohne Fazit. Inhaltlich exzellent, sprachlich zwischen Himmel und Hölle, strukturell sehr unausgeschlafen und formal ein Alptraum. Die Taugenichtsin schaffte den Abgabeschluss, musste aber alles neu schreiben, weil Ramona Flowers in Scott Pilgrim vs. the world eben nicht einfach so eine Mentorin ist, und die Sterntüren ein ganz klares Bild für Schwellenüberschreitung ist.
Am Mittag traf ich die Nachbarin mit einem Apfel vor der Bib. Eigentlich um die neuen Nuggets unseres Studiengangs anzugaffen,[1] aber daraus wurde nichts, weil sie noch ein Fazit schreiben musste. Ich erzählte ihr schnell von meiner Korrektur, und wo sie aufpassen soll, und sagte ihr dann, was jetzt in ihrem Fazit stehen muss. Ihr Gehirn war offensichtlich Matsch. Bei den Nuggets, hab ich kurz und sehr diffus unseren Dispositivblog vorgestellt, und bin dann gleich wieder weiter. Weiter heißt: Essen mit der Nachbarin, Kaffee mit dem Studiengang und dann kurz vor der Arbeit noch mal diese Hausarbeit korrigieren, weil das natürlich noch nicht gepasst hat (während die Nachbarin selbst mehr damit Zeit verbracht hat meinen Couchtisch, für seine Fähigkeit auf jeder Höhe Füße ablegen zu können, zu besingen. Ich liebe meinen Studiengang). Heute war Abgabe, aber ich hab den zuständigen Meister abgefangen, wobei er mir erzählte, dass er eh erst ab 12 Uhr am nächsten Tag wieder im Büro ist. Danach unterhielt ich mich mit den anderen Meistern der Medienwissenschaften, die mich fragten, wieso ich sie immer mit "Meister" anrede, obwohl die Medienwissenschaft auf einer entschiedenen Vornamensbasis betrieben wird. (Ich erklärte es damit, dass Uni mehr Spaß macht, wenn man so tut als wären es eine Jediakademie, woraufhin einer darauf bestand ein Sithlord zu sein.)
Wie dem auch sei! Inzwischen habe ich mich einmal schön erkältet, was mich dazu veranlasst hat den zweiten Teil (= ein Tag) der ersten Uniwoche einfach nicht zu machen. Was interessiert mich Theateranalyse und EDV Übungen? Der Kampf damit die Rothaarige zu sehen wird zunehmend schwieriger. Was nicht zuletzt daran liegen könnte, dass jetzt schon alle bis auf ein Wochenende zwischen heute und Weihnachten verplant sind und es ihr nicht anders geht. Aber wozu hat man Freunde, die es schaffen das Loch im Herzen mit Liebe zu stopfen.
Oder meine neue Nachbarin, die von nun an meine ewig' Sklavin sein wird. Genau für sowas.

Das ist der eigentliche Punkt der Geschichte. An diesem Wochenende brachen wir in das Zimmer der Rothaarigen ein, und bewarfen ihre Wand mit Farbe. Anschließend wickelten wir die Nachbarin in Frischhaltefolie ein und stempelten ihre Gliedmaßen an die Wand. Was entstand war für mich der Tänzer imMultiversum. Im Hintergrund gab es Städte und Menschen mit Weidenzweigen als Gliedmaßen zu sehen. Wir waren relativ stolz auf das Ergebnis.
Das Kommentar der Rothaarigen war: „Ach, da ist ein MENSCH drin!“
Jedenfalls haben wir uns dazu entschlossen in der ganzen neuen Heimat Wände zu suchen und unsere Spuren zu hinterlassen, aufdass in vielen Generationen noch junge Erstsemester auf wilden WG-Partys bemerken, dass sie „sowas doch schonmal hier irgendwo“ gesehen haben.
Das nur als Exkurs. Vielleicht finde ich ja nochmal eine Zugang zur Kunst durch ein bisschen Pollock-Actionpainting.

So, jetzt hat der Taugenichts sich erst darüber gefreut wegen Theaterausfall nicht mehr so viel zu tun zu haben, aber nun beschwert er sich trotzdem darüber viel zu tun zu haben. Hier also mal eine ARt Meta-TO Do Liste.

a) Ein Auslandssemester vorbereiten
b) Ein geisteswissenschaftliches Symposium organisieren
c) Eine oberaffentittengeile Studiowebserie drehen
d) Eine Cthulhu Mockumentary drehen.

Mehr dazu, wenn die Zeit gekommen ist.


[1] Wie in einem Affenkäfig.

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