Montag, 22. Oktober 2012

Unitagebücher: Von Hausarbeiten und Wochenenden



Warum zur HöHÖlle ist es 5:51 Uhr, wenn ich mich aus dem Bett rolle?
Ich sitze an meinem Schreibtisch und Spiele Seuchenmenetekel mit einem Teebeutel in einer Tasse heißem Wasser. Zwei Kurse, hintereinander, frühs um acht Uhr. Beides mal ein EDV Doppel"verzahnungsmodul". Wer legt Pflichtveranstaltungen, denn auf so eine Uhrzeit? Weiß das Rechenzentrum denn nicht, dass wir Geisteswissenschaftler sind? Als wären wir von Trotteln umgeben! Zum Trost kann ich mir immer sagen, dass es Mittwoch ist und das meine erste Veranstaltung die Woche. Vier Tage Wochenende: Yay! Aber acht Uhr?
Und wieso muss ich dann auch noch so irre früh aufwachen? Ist ja widerlich.
Aus irgendeinem Grund hilft es immer zwanzig Minuten damit zu verbringen das Don Camillo Thema zu hören. Auch der erste Tee am morgen - Eine latente Schwarzteesucht, die sich da zu entwickeln beginnt? - ist hilfreich. Und schon sind es nur noch eineinhalb Stunden, bis man Duschen verpasst hat und durch die kalte Nachtluft zur Uni fährt. Frrrr....

So siehts also aus: Uni hat wieder angefangen. Letzten Freitag habe ich meine letzte Hausarbeit abgeschlossen ("Letzte" meint, es gibt nur noch eine, die aber erst zum sechsten Semester, "irgendwann vor der Bachelorarbeit" fällig ist). Ich dachte mir ich könnte dann mit den Semesterferien anfangen und noch vier Tage ganz gemütlich mit Kollegen aus aller Richtung in der Stammkneipe rumhängen. War wohl nix.
Während sich meine Rothaarige eine schöne Zeit mit ihrer eigenen Hausarbeit gemacht hat, habe ich nach Fremdunterhaltung gesucht. Dazu musste ich mal wieder auf andere Menschen ausweichen. Mein Kommilitone und Waffenbruder, Mauricius genannt, mit dem ich immer viel Zeit in der Stammkneipe verbracht habe, war leider selber beschäftigt, also habe ich meiner Nachbarin bei ihrer Hausarbeit unterstützt. (Die hat sich wenigstens helfen lassen.) Am Samstag saßen wir aus ganz anderen gründen mit der Taugenichtsin zusammen und sie kam auf mein Angebot zum Korrektur lesen zurück "Ich schicks dir dann morgen Nacht, kurz vor Abgabe."
"Ähm..."
Sofort mischte sich die Taugenichtsin ein, weil dass das ist was sie tut: "Oh, du korrigischert ihre Hausarbeit? Ich schick dir meine morgen Abend auch noch!"
"Ööh..."
"Aber bitte nicht zu spät, ich will noch mal drüber gehen."
So war mein Wochenende nicht geplant. Naja. Das kriegen sie halt alles bei der Korrektur zurück. Aber vielleicht, so dachte ich mir, komm ich ja noch durchs ignorieren der kleinen lieb gewonnenen Nervensäge raus. Ich wendete mich wieder an meine Nachbarin.
"Das ist zu spät. Am Abend will ich [in die Stammkneipe] gehen, ich brauch deine Arbeit bis 17 Uhr."
Und weil ich mein Maul nicht halten kann und sie handfeste Motivation braucht, habe ich weiter geredet: "Sonst bist du meine kleine Sklavin. Bei jedem künstlerischen Projekt, bist du meine Dienerin und gehst wohin ich dich sende."
Ich war immer noch nicht fertig.
"Nackt."
Sie sah mich von unten her; durch ihre große Brille hindurch, an. (Sie hat so eine klein und putzig/Kindchenschema-Sache  am Laufen.) Sie war sehr ernst. Ihre Mundwinkel zuckten, als ob sie es abwägen würde.
"Nicht nackt."
Die Verhandlungstaktik eine überzogene Forderung durch eine noch viel überzogenere Forderung zu mildern und durch zu ringen funktioniert leider immer noch.
"Okay."
Was für einen Deal sie da einging, ist ihr vermutlich noch gar nicht klar gewesen.
Der Rest der Geschichte steth geschrieben. Am nächsten Tag bat sie um Verlängerung von 17 bis 19 Uhr. Dann bis 22 Uhr. Dann bis 24 Uhr, und dann bis morgen früh.

Was mich erreichte war eine Hausarbeit in 8 Punkte, ohne Gliederung und Unterpunkte. Ohne letztes Kapitel, ohne Fazit. Inhaltlich exzellent, sprachlich zwischen Himmel und Hölle, strukturell sehr unausgeschlafen und formal ein Alptraum. Die Taugenichtsin schaffte den Abgabeschluss, musste aber alles neu schreiben, weil Ramona Flowers in Scott Pilgrim vs. the world eben nicht einfach so eine Mentorin ist, und die Sterntüren ein ganz klares Bild für Schwellenüberschreitung ist.
Am Mittag traf ich die Nachbarin mit einem Apfel vor der Bib. Eigentlich um die neuen Nuggets unseres Studiengangs anzugaffen,[1] aber daraus wurde nichts, weil sie noch ein Fazit schreiben musste. Ich erzählte ihr schnell von meiner Korrektur, und wo sie aufpassen soll, und sagte ihr dann, was jetzt in ihrem Fazit stehen muss. Ihr Gehirn war offensichtlich Matsch. Bei den Nuggets, hab ich kurz und sehr diffus unseren Dispositivblog vorgestellt, und bin dann gleich wieder weiter. Weiter heißt: Essen mit der Nachbarin, Kaffee mit dem Studiengang und dann kurz vor der Arbeit noch mal diese Hausarbeit korrigieren, weil das natürlich noch nicht gepasst hat (während die Nachbarin selbst mehr damit Zeit verbracht hat meinen Couchtisch, für seine Fähigkeit auf jeder Höhe Füße ablegen zu können, zu besingen. Ich liebe meinen Studiengang). Heute war Abgabe, aber ich hab den zuständigen Meister abgefangen, wobei er mir erzählte, dass er eh erst ab 12 Uhr am nächsten Tag wieder im Büro ist. Danach unterhielt ich mich mit den anderen Meistern der Medienwissenschaften, die mich fragten, wieso ich sie immer mit "Meister" anrede, obwohl die Medienwissenschaft auf einer entschiedenen Vornamensbasis betrieben wird. (Ich erklärte es damit, dass Uni mehr Spaß macht, wenn man so tut als wären es eine Jediakademie, woraufhin einer darauf bestand ein Sithlord zu sein.)
Wie dem auch sei! Inzwischen habe ich mich einmal schön erkältet, was mich dazu veranlasst hat den zweiten Teil (= ein Tag) der ersten Uniwoche einfach nicht zu machen. Was interessiert mich Theateranalyse und EDV Übungen? Der Kampf damit die Rothaarige zu sehen wird zunehmend schwieriger. Was nicht zuletzt daran liegen könnte, dass jetzt schon alle bis auf ein Wochenende zwischen heute und Weihnachten verplant sind und es ihr nicht anders geht. Aber wozu hat man Freunde, die es schaffen das Loch im Herzen mit Liebe zu stopfen.
Oder meine neue Nachbarin, die von nun an meine ewig' Sklavin sein wird. Genau für sowas.

Das ist der eigentliche Punkt der Geschichte. An diesem Wochenende brachen wir in das Zimmer der Rothaarigen ein, und bewarfen ihre Wand mit Farbe. Anschließend wickelten wir die Nachbarin in Frischhaltefolie ein und stempelten ihre Gliedmaßen an die Wand. Was entstand war für mich der Tänzer imMultiversum. Im Hintergrund gab es Städte und Menschen mit Weidenzweigen als Gliedmaßen zu sehen. Wir waren relativ stolz auf das Ergebnis.
Das Kommentar der Rothaarigen war: „Ach, da ist ein MENSCH drin!“
Jedenfalls haben wir uns dazu entschlossen in der ganzen neuen Heimat Wände zu suchen und unsere Spuren zu hinterlassen, aufdass in vielen Generationen noch junge Erstsemester auf wilden WG-Partys bemerken, dass sie „sowas doch schonmal hier irgendwo“ gesehen haben.
Das nur als Exkurs. Vielleicht finde ich ja nochmal eine Zugang zur Kunst durch ein bisschen Pollock-Actionpainting.

So, jetzt hat der Taugenichts sich erst darüber gefreut wegen Theaterausfall nicht mehr so viel zu tun zu haben, aber nun beschwert er sich trotzdem darüber viel zu tun zu haben. Hier also mal eine ARt Meta-TO Do Liste.

a) Ein Auslandssemester vorbereiten
b) Ein geisteswissenschaftliches Symposium organisieren
c) Eine oberaffentittengeile Studiowebserie drehen
d) Eine Cthulhu Mockumentary drehen.

Mehr dazu, wenn die Zeit gekommen ist.


[1] Wie in einem Affenkäfig.

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Slackerrecords: Fragmente



Also gut: Ich hatte euch an dem Wochenende einen herrlichen Artikel geschrieben. Der Titel wäre "Bohemian like you" gewesen und er hätte mal wieder mein herrliches Leben geschildert, das ganze mit sehr viel Verträumtheit und Earl Grey in der Hoffnung euch neidisch zu machen. Jedenfalls wollte ich mich hier mal wieder melden, obwohl ich ja auch so relativ viel Kontakt mit euch in dem letzten Monat hatte.
Natürlich ist mir der Artikel scheinbar flöten gegangen. Jedenfalls finde ich ihn jetzt nicht mehr.
Als Ersatz dafür kriegt ihr halt ne Zusammensetzung von Dingen die ich wohl irgendwann im Juli oder August geschrieben habe aber nie zu Ende brachte im Anhang. Man kann ein bisschen drüber lachen, wenn man jetzt ist.

Was passiert sonst so? An diesem Wochenende bin ich auf dem alljährlichen Kongress der Gesellschaft für Theaterwissenschaft zum Thema Sound und Performance. Einige wirklich interessante Gäste, darunter Erika Fischer-Lichte, die der Oberguru der modernen Theaterwissenschaft und vor allem des Begriffs des "Performativen" ist. Ich bin gespannt, ob die Theaterwissenschaften mich nochmal ein wenig mitreißen... Das ganze beginnt in einer Stunde, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich den ersten Vortrag heute Abend schon anhöre. Leider scheint das ganze Programm nicht gerade das Ende der Theaterwissenschaft zu sein, das mich interessiert.

Jedenfalls werde ich jetzt Essen gehen und ein bisschen über den verschwundenen Artikel weinen. Wenn ihr Lust habt könnt ihr in der Vergangenheit graben:

Das erste Fragment sieht sehr nach Posttheaterfeier aus.


Er wusste nicht wie oft er jetzt schon betrunken die Treppe hinauf gestolpert war. Gestolpert ist vielleicht nicht das richtige Wort. Es war schon lange kein Problem mehr. Die Treppen hoch zu steigen hatte er nüchtern schon oft genug geübt und auch betrunken war es nunmehr ein Kinderspiel. Aber jedes mal war eine dieser „blauen Blumen“ der Realität da, die ihn niederdrückte, so sehr nach unten, dass er fast meinte er müsste die Stufen zwei mal hoch laufen. Die Aussicht aber in wenigen Sekunden mit tauben Gliedern auf seinem Schreibtischstuhl zu versumpfen und diese Zeilen zu schreiben machten den Aufgang zu einem Kinderspiel.
Da hatte er wieder das Problem. Will er das zu einer Liebesgeschichte machen und vergessen um was es eigentlich geht, wenn er dem Leser nur sagt „Jaa, da ist wieder eine...“?
Eigentlich nicht. Aber bisher wusste er noch nicht was er gegen diesen Eindruck tun konnte. Es gab immer den einen „crush“ von dem er sich zum nächsten hangeln musste. Aber über die langen (langen?) Jahre als Single schienen sie schon ewig keine Rolle mehr zu spielen. Das sind eben immer so Phasen. Den Preis den man zahlen muss.
Ein geringer Preis. Er lies sich all die Blumen gerne durch die Lappen gehen, wenn er dafür sein Leben wie es ist weiterführen konnte. Und zufrieden mit tauben Gliedern in seinen Schreibtischstuhl zu fallen, um diese Zeilen zu schreiben.
Nur nagt sie da wieder, die blaue Blume. Diese Fernwehe, die ihn irgendwo hin zieht, von seinem Stuhl hinaus durchs Fenster, durch den sternenklaren Nachthimmel, am Mond vorbei an irgendeinen Ort, der weit fern von hier ist.
Der Taugenichts dachte ein wenig darüber nach. Ein Ort woanders. Nicht hier. Mit anderen Menschen. Anderen urgemütlichen Kneipen und anderen Dozenten und Mentoren. Dann könnte er woanders mit tauben Gliedern in seinen Schreibtischstuhl fallen und darüber schreiben.
Aber das konnte er hier ja auch. Der Taugenichts tippte seine Zeilen zu Ende und rollte zufrieden ins Bett. Er wusste, dass das Universum es gut mit ihm meinte. Alles fiel ihm so vor die Nase und er muss es nur noch aufheben. Solange er schön brav mit den Beinen und nicht mit den Rücken hebt, gab es keine Probleme.
Nur war da immer noch diese nagende Angst. Die Angst vor der großen kosmischen Rechnung, die kommt um einzufordern. Wahrscheinlich in Form einer Querschnittslähmung, weil er irgendeine Treppe nach oben runterfällt, oder einer schwangere Exfreundin.
Der letzte Gedanke jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Nie wieder Sex, dachte er sich, bevor Morpheus seine Sorgen betäubte.

Das hier ist immer wahr und muss ab und zu mal gesagt werden:

Ich beginne den Anblick von Word, Open Office und allen anderen Schreibprogramm zu hassen. Das digitale Blatt schaut mich so herausfordern an, sagt mir „Fülle mich, zeig was du drauf hast!“ Und mein verfluchter Stolz kann nicht anders, als genau das zu versuchen. Wenn es mir gelingt bin ich nicht zufrieden, weil ich aus dem Sieg gerne ein Massaker gemacht hätte und wenn ich es nicht schaffe, dann muss ich den Schwanz einziehen und langsam verschwinden, mich davon schleichen wie der Feigling der ich dann bin. Angst vor der weißen Fläche...
Und so ende ich immer wieder hier, glaube die Wahrheit in wenige Worte fassen zu müssen und dabei entblöße ich nur mich selbst. Aber das ist das was man so tut, hm? Am Ende stehen da die Leute, und haben einen Einblick in die Tiefen des Autors gewonnen zu haben. Es ist wahr. Ich bin der Autor. Aber ich bin auch Fiktion. Das lyrische Ich, wie man so schön sagt, ich augenscheinlich nicht von dem Autoren zu trennen, aber doch etwas ganz anderes. Wenn ich also hier schreibe, dann bleibt letztlich von mir so viel übrig wie von dem Schauspieler auf der Bühne. Auch das bin ich natürlich, wenn ich hier schreibe. Man erkennt freilich in dem Gestus des Mannes da vorne, dass er sich verstellt, und wenn man ihn gut kennt, erkennt man seine eigene Ader in ihm, aber wichtig ist doch das eine: Wenn er da oben steht und spielt, spielt er. Völlig egal, ob er sein eigenes Ich als Referenz verwendet, oder nicht.
Der Text, den ihr hier lest ist natürlich voll und ganz aus einem Kopf entsprungen und damit nichts anderes, als die Gedanken eines echten, empirischen Autors. Aber wenn der Schauspieler auf der Bühne etwas verkörpert, dann lügt er genauso. Was ich wohl versuche hier zu sagen ist folgendes:
Alles was ich schreibe ist gelogen. Ihr könnt versuchen von dieser Lüge auf die Wahrheit zu schließen, und den empirischen Autor hinter dem fiktiven wieder zu finden, aber letztendlich könnte es auch nur sein, dass ich gerade eine gute Folge
Mad Men gesehen habe und mir gerade danach ist etwas zu verkaufen, was mir gar nicht liegt.
Und das sind so die Sachen, die mich davon abhalten zu schreiben. Kann ich einen gewaltsamen Mord beschreiben, ohne das jemand sich Sorgen macht? Oder eine Vergewaltigung? Und wenn man sich als Leser dann denkt, dass das zu weit von der Psyche des Autors entfernt ist, dann kann man das über jeden anderen Gedanken genauso denken. Ein gewisser dunkler Ort ist immer da, aus dem Dinge gezogen werden, die so gar nicht in die Alltagsgedanken des Autors passen.
Dann wiederum ist irgendwann der Wein alle, und der Autor hat keine Lust sich mehr Metagedanken über seine Schriften zu machen.

Wichtig ist er vor allem für solche Sachen. Entstanden nach einer Dernierenfeier im Juli in den frühen Morgenstunden nach dem nach Hause kommen:

Ich kam mir fast vor wie ein Raubtier. Ein Jäger. In dem Moment existierte ich nur, um meiner Beute willen. Und die Beute wollte gefangen werden. Alle Anwesenden starrten auf die Leinwand, fieberten mit, wollten teil haben an den Geschehnissen dort. Nur wir zwei Ausnahmen hatten sich etwas anderes in den Kopf gesetzt. Wir spielten ein altes Spiel. Beide hatten das gleiche Ziel, nur wollten wir es uns nicht zu einfach machen, so wäre das Ziel es gar nicht wert.

Mit tauben Gliedern saß ich schwer auf dem Boden, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Das Pianospiel war sauber, aber sie musste oft nach den richtigen Akkorden suchen, um ans Ziel zu gelangen, das machte das ganze Lied zu einer sehr steinigen Kutschfahrt. Die Verse die ich konnte, sang ich mit, aber es waren nicht viele. Irrelevant. Die Überwältigung nahm Überhand. Immer mehr versank er in der Musik und ihren Fingern, die mit jedem Anschlag weniger Hilflos, sondern professioneller wirkten. Ich versank in dem was aus ihr wurde, als sie ihre Seele über die Tastatur schüttete.

Meine Beute saß ein paar Plätze entfernt. Die Blicke hatte sie inzwischen gemerkt. Grandios, wie sie sich gab. So plump, aber so wirksam. Erst streckte sie sich und gab Preis was sie zu bieten hatte. Sie setzen sich so hin, dass ich sie in ihrer Gänze betrachten konnte. Ein Haarwurf hier, der wirklich nicht notwendig gewesen wäre, und das undezente Zurechtrücken der Kleidung. Immer wieder warf sie mir einen verstohlenen Blick zu. Ich saß da, die Hände über den Kopf gefaltet, entspannt, im Gegensatz zum Rest der Anwesenden, die durch ihre Freizeitbeschäftigung den Ereignissen auf der Bildfläche zu folgen allzu angespannt waren, und unverwandt starrte ich sie an. Immer wieder blickte sie herüber, nur um dann schnell wieder woanders hin zu sehen. Bis sie meinen Blick hielt.

In ihrer Musik sah ich Gott. Keine Vollkommenheit, aber die Suche nach etwas, was mir allzu vertraut vorkam. Lass mich sterben und gerne will ich den Moment für die Ewigkeit bewahren! Sie fand was sie suchte und beendete mit einem Abschluss, der nie hätte enden müssen. Eine kleine Klage darüber, dass sie nicht mehr weiß, wie man das Stück spielt, kam von ihren so perfekten Lippen. So egal, hörte ich mich denken. Sie drehte ihren Kopf zu mir, und sah die jämmerlich dahingeschmolzene Gestalt, die ich in dem Moment sein musste, und lächelte. Ehrlich und würdigend. Immer noch nicht zur Hälfte wusste sie, wie sehr ich sie gerade würdigte – verehrte. Sie wollte aufstehen und diesen herrlich tragischen Moment vergehen lassen und ich fühlte ihn dahin schlüpfen. Wie wenn jemand spät nachts in der gemütlichsten Runde die Uhrzeit verrät. „Es gibt keine Faser an dir, an deinem Leib, deinem Herz, deiner Seele, die in nicht begehre.“ Ich schrie sie beinahe an. „Was du mit mir machst, ist nichts geringeres als Gott zu beweisen.“
„Und ich liebe dich auch.“ Sanft nahm sie meine Hand, stand auf und ging. Gab es einen glücklicheren Idioten als mich?

Mit den Augen signalisierte ich schnell, dass mich der allgemeine Punkt der Aufmerksamkeit hier nichts anging. Ihre Bestätigung wartete ich kaum ab, dann lud ich sie dazu ein sich zu entschuldigen. Sie zwinkerte verführerisch zur Bestätigung. Ich stand auf und quetschte mich aus den Reihen heraus Richtung Treppe. Niemand brauchte den Notausgang im Moment und keiner denkt daran aufs Klo zu gehen, wenn sie so angespannt sind. Ich musste mich auch an ihr vorbei mogeln, und die Gelegenheit nutzte ich für einen letzten Check. Und da machte sie wieder alles richtig. Ihre eine Hand streifte mein Bein sehr knapp – sie ließ ihn lässig über ihre Rückenlehen hängen – und ihre andere gewährte mir einen Blick tief in ihren Ausschnitt, als sie ihr Oberteil ein weiteres mal zurecht zupfte. Wenige Minuten später kam die Wildfremde, die ich in diesem Moment schon zu gut kannte, hinterher zu den Automaten, wo ich auf sie wartete.
„Wenn dich deine Mutter so sehen könnte“, schnarrte ich zynisch.
„Halt die Klappe.“ Ihre Stimme war etwas feindselig. „Ich will, dass dir klar wird, dass uns niemand sieht, und niemand jemals erfahren wird, was du in den nächsten zwanzig Minuten mit mir machst.“
„Dann geh ich mal an die Arbeit.“

Und zuletzt, einen Text den ich wegen fehlender Pointe wohl nie veröffentlicht habe:

Um 6:47 Uhr weckt den Taugenichts prasselnder Regen und lauter Donner. Das wars wohl mit den Plänen am Vormittag vor der Uni schwimmen zu gehen. Alas. Wenn das Wetter heute Abend passt, dann kann er immerhin ein bisschen Geld verdienen gehen. Der Donnerstag hat immerhin zwei relativ entspannte Veranstaltungen, um dann das dreitägige Wochenende einzuläuten.
Es beginnt damit, dass eine Dramaturgin und zeigt, was alles so in einem Programmheft steht. Ja, das ist tatsächlich so sinnentleert, wie es sich anhört. Aber die Dozentin ist nett, und der Kurs ganz klein und überschaulich, also stimmt zumindest die Gesellschaft. Nach einem kurzen Mittagessen mit Kommilitonen haut der Taugenichts auf den Tisch und verkündet lautstark, dass er keine Lust mehr auf den ganzen Scheiß hat, und jetzt endlich mit dem Wochenende anfangen will. Also eilt er sich um 14 Uhr zum letzten Kurs in der Woche. Literatur und Gesellschaft des deutschen Mittelalters. Der intellektuell anspruchsvollste Kurs des Halbjahres. Leider. Wieso „Leider“? Weil er nur selten anspruchsvoll wird. Woran liegt das? Weil so viele Lehrämtler und andere Dumpfbacken drin sitzen auf die wir warten müssen. Aber der Dozent versteht es trotzdem, wie PD [tödlich arrogant und total cool] immer mal wieder den Kopf zu rauchen zu bringen, bei dem Versuch eine fremde Herangehensweise nach zu vollziehen.
Nach dem Kurs schwingt sich der Taugenichts auf sein Fahrrad, und freut sich, dass er nicht im Regen nach Hause fahren muss. Er lacht in den Himmel über das beginnende Wochenende, als ihm die Sonne verrät, dass schönes Wetter ja Arbeit bedeutet. Also guuut...
In der Kneipe seiner Wahl, muss er eine Stunde später die Tische schrubben, die Aschenbecher ausleeren, das Essen anschreiben und den ganzen Rest vorbereiten. Kaum fängt er an die ersten Gäste zu bedienen muss er in den Keller und das Weizen-(Waaaaaaz)-Fass wechseln. Dann schnell wieder weitertragen, zwischen Zapfsäule und Biergarten hin und her, kurz die Gäste innen übersehen, Essensbestellungen bei der Küche vorbeibringen und bevor er es sich versieht ist diese stressige halbe Stunde gekommen.
„Was? Natürlich war das bis zur Marke voll! Sie haben doch was abgetrunken!“
Danach kann er wieder ein wenig Eier schaukeln, sich mit dem obligatorischen einsamen Mann, der offensichtlich einfach nur nicht nach Hause will unterhält, bis es wieder weitergeht und alle Leute, die zum Abendessen gekommen, sind ihre nächste Runde bestellen oder zahlen und die Leute, die nur zum trinken kommen, sich gerade setzen.
„Unser Fleisch ist nicht ranzig! Scheren sie sich doch zur Hölle!“
Eine weitere hektische halbe Stunde vergeht und nicht lange danach, flüchten sich die letzten Gäste nach drinnen. Hier und da noch nachgefüllt, und schon verabschiedet sich der dritte Mann, die Bedienung, die früher Schluss macht.
„Moment, du warst der dritte Mann? Ich dachte ich bin der dritte Mann? Dann bleibe ich wohl noch hier...“
Aber schon bald, kann auch der Taugenichts das Trinkgeld zusammen rechnen, den Geldbeutel feierlich an den Chef geben und sich mit ein paar Euronen mehr in der Tasche nach Hause begeben, wo er jetzt endlich mit seinem Wochenende anfangen kann.




Mittwoch, 29. August 2012

Slackerrecords: When the truth comes out


"Eine nackte Rothaarige liegt in deinem Bett und schaut Firefly und du willst einfach gehen?"
Manche Sätze sind sehr einfach, bringen aber doch den aktuellen Stand im Leben auf den Punkt. Dieser Satz  ist so einer gewesen.
Was habe ich richtig gemacht, dass mich das Leben zu diesem Punkt geführt hat?
Eine
a) nackte
b) Rothaarige in
c) meinem
d) Bett, die
e) Firefly schaut.
Liebe Menschen, kann das Leben viel besser werden? Hätte ich Whiskey aus ihrem Nabel geschlürft und Pfannkuchen von ihrem Bauch gegessen, vielleicht. Nur warum will ich blöder Arsch in dem Moment gehen?

Was den Satz so großartig macht, ist dass er nicht von mir stammt, aber an mich gerichtet war und zu einhundert Prozent wahr ist. Es ist eine wunderherrliche, bleiche Rothaarige mit der Unbeschwertheit eines Kindes und dem Witz des Besten unter uns.
Unglücklicherweise ist in meinem Moment des Schreibens euer Moment der Veröffentlichung noch einige Wochen entfernt. Ich spreche also mal wieder aus der Vergangenheit. Wieso? Einige Dinge muss ich einfach loswerden von denen ich eigentlich noch nichts erzählen darf. Aber wieso? Weil Madame Dinge gerne langsam und vorsichtig angehen lässt und kein Chaos über nichts verursachen will, wenn's dann eh nichts wird. Relativ umsichtig, ich erinnere mich daran den Einwand mit "So ein Gelaber, einfach machen." abgetan zu haben und von dem Moment an haben wir gar nicht mehr viel geredet.
Eine geheime Affäre blieb's trotzdem und darum gibt's heute erst die Info, die gewisse Familienmitglieder ja beim nächsten Mal eigentlich unbedingt postwendend haben wollten. Pech gehabt.

Geheime Affären sind ja unglaublicher Spaß. Es ist keine große Kunst sich einfach daheim zu treffen, oder im dunkeln des Kinos ungesehen zu bleiben. Spannend ist es aber wenn man in Gesellschaft nach Hause geht, und dem anderen signalisieren sich bitte in fünf Minuten woanders. Hält die Beziehung frisch. Trotzdem bekommt man ab und zu Nachrichten wie:
"Grad wollt ich schreiben, dass du noch nicht schlafen gehen sollst. Aber mehr, weil ich von [hier] so 'nen langen Heimweg hätte. Also mehr the sexless inkeeper style."
Man kann es sich halt nicht immer aussuchen. Das blöde an ner Beziehung ist halt auch, dass es eine Beziehung ist. Alas.

Also hier der Klatsch: Im Mai lief plötzlich zufällig diese Rothaarige ins Dispositivtreffen und weil sie die einzige Frau war, die nicht stinkfaul war, hab ich sie gleich mal dazu rekrutiert in der Stammkneipe, die ja auch mein Arbeitsplatz ist zu arbeiten. Zwei Wochen späte schlief sie bei einem Feierabendbier beim Star Wars schauen in meinem Schoß ein und das war der Moment in dem die Entscheidung zwischen Liebe und Hass gefallen ist. Zwei weitere Wochen später drängelte ich mich an ihrem Geburtstag vor einen Typen der sie irgendwie angemacht hat, und habe ihr erklärt, dass ich nicht ruhen werde, bis sie mir in der besten neudeutschen Manier die Gnade eines "Dates" gibt. Weitere zwei Wochen später, nach ihrem ersten "Eigentlich nicht." verknüpft mit den üblichen "Wir kennen uns ja noch gar nicht." und "Was wenn's schief geht?" Gefasel hatte ich meine Forderung noch einmal mit der Philosophie des "Einfach machen's" verknüpft und da waren wir. Einen Monat später war ihr die ganze Geheimaffäre auch egal und jetzt steckt er nach dreieinhalb Jahren herrlichen Jungesselensein wieder in einer Beziehung.

So. Das war so ausführlich wie es wird. Ich hoffe du bist jetzt glücklich, Mutter.

Was noch?
Nachdem zu Beginn des kommenden Semesters alle meine beiden Mitbewohner mich verlassen, muss ich meine tolle WG neu füllen.
Auch wenn der Verlust schade ist, ist es witzig eine WG ganz alleine nach meinem Willen zusammen zu stellen. Das erste Zimmer habe ich gleich mal an einen befreundeten Medienwissenschaftler verschachert, der wegen dem massiven Einspruch meiner Mitbewohnerin leider nicht gleich eingezogen ist.
Der zweite Platz könnte genauso schnell an Kommilitonen oder den Nachwuchs unseres Studiengangs verkauft werden, aber ich habe mir einfach mal den Spaß gemacht ein inserat ins Internet zu stellen.
Großartige Ergebnisse!
Ich meine damit keinesfalls die Quantität oder Qualität der Anfragen, sondern einfach nur den Text. Dreimal fiel die Floskel "Ich würde mir gerne dein Zimmer ansehen." Leider nur einmal von einer Frau. Tatsächlich hielt eine Suchende es für hilfreich anzugeben, dass sie "Noch (sic!) single ist".

Und am Ende steht man vor der Frage. Welchen Mitbewohner sucht man sich aus? Die kleine siebzehnjährige Abiturientin, die bereit ist die Welt zu erobern? Die erfahrene Spanierin, die für ein Praktikum in Deutschland ist? Die sportliche BWLerin, die überraschend bequem wirkt?

Es wurde natürlich der cool Medienwissenschaftler, den ich schon kenne und eine Freundin von ihm, die einen wirklich guten ersten Eindruck gemacht hat. Diese Woche zieht der erste ein und zum Oktober die nächste.

Theater?
Hab ich nicht mehr. Nachdem ich in den letzten sechs Monaten vier Stücke hatte und in den letzten zwölf sechs und damit insgesamt vierzehn Monate ununterbrochen Theater. Es ist genug. Als jemand der die Produkte selten mag, aber den Prozess immer liebt, die Arbeit daran und die Familie die dabei entsteht, hatte ich wirklich genug von dem sehr hohen Druck, der auf dieser letzten Produktion in einer ganz neuen Gruppe lag. Jetzt fällt es mir vielleicht freier einfach mal daheim zu bleiben und meinen eigenen Scheiß zu machen. Mit etwas Glück ist Theater also erstmal gestorben. Mindestens für das Wintersemester. Glück auf, Taugenichts.

Montag, 13. August 2012

Slackerrecords: Träume im astralen Raum

Auch die freien Tage sind manchmal überraschend anstrengend.
Neulich bin ich mit einem kleinen Hangover aufgewacht, weil ich es klug fand an meinem freien(!) Montagabend meinen Postproduktionsmenschen1 zum Bier in die Theaterkneipe einzuladen. Da kam bald noch ein Kollege, ein Chemiker, der sich zu uns gesellte und die Kollega hatte bald genug Feierabend. Das uferte dann so aus und am Ende bin ich dehydriert und zufrieden in mein Bett gefallen, wo ich dann viel zu früh aufgewacht bin, weil ich von einem Leben auf einem postapokalyptischen Mars geträumt habe, wo alle Leute irgendwie komisch sind. So verrückt und Nachts fangen sie an dich zu beißen. So n bisschen wie Zombies, aber halt net so ganz klassisch. Natürlich sahen alle Zombies aus wie meine Kommilitonen und Kollegen (Bekanntschaft mit den Zombies ist etwas das bisher nur WALKING DEAD2 transportieren konnte. In einem Alptraum, der tief genug im Schlaf passiert, dass es real wirkt treibt dir das wirklich den ganzen Scheiß aus den Poren) und die einzigen anderen Überlebenden waren all meine alten Freunde die ich viel zu lange nicht mehr gesehen habe! Der Diplomat, der Polizist, die Blonde usw. Irgendwas war da schon wieder am brodeln. Wenn meine alten Freunde sich mit mir zusammen gegen die neuen Freunde durchsetzen müssen, die alle nur unser Hirn wollen...

Was kann ich euch noch erzählen? Im Dispositiv veröffentliche ich immer mal wieder Sachen. Unter „irgendwas mit Medien“ findet ihr einen Link. Außerdem hab ich da mal die ersten paar Fragmente der FANTASTISCHEN ABENTEUER IM ASTRALEN RAUM eingestellt. Was ist das? Bei unserer letzten DnD Sitzung begab es sich, dass ein Mitspieler ein Riss im Raumgefüge gebastelt hat, und er zusammen mit meinem ohnmächtigem Charakter in die Zwischenwelt, dem Keller des Multiversums, dem Astralen Raum gezogen wurde. Ein Platz an dem es weder Raum noch Zeit gibt. Durch ein paar Schriften, versuche ich zu erzählen, was die beiden da so erlebt haben, bis sie den Weg auf ihre Heimatebene, Faerun, wieder gefunden haben. Vielleicht macht das nur für DnD Spieler Sinn zu lesen. Die Zielgruppe ist in jedem Fall unsere Truppe alleine.

Was noch? Es ist seit zwei Wochen wieder Slackerrecordszeit. Davon ist leider noch nicht viel zu sehen, weil ich Theater spiele und Arbeiten gehen muss („Die Kinder brauchen neue Schuhe...“)3 Aber die Tage über habe ich herrliche Zeit, die ich der Kunst und den Serien opfern kann. Das Slackerleben funktioniert also schon noch ein bisschen. Und wenn der August rum ist, sogar noch mehr.

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1 Ja. Ich habe einen Postproduktionsmenschen. Ich habe auch einen Produktionsmenschen, drei Kameramenschen, genug Autoren, Regisseure, Schauspieler und sogar das Equipment um some serious shit zu produzieren. Gebt mir noch ein, zwei Jahre...
2 WALKING DEAD! Ich kann den Titel nicht einfach nur einmal stehen lassen. Er muss wiederholt werden.
3 Einmal Friends zu zitieren hat gereicht. Jetzt hab ich mir statt weiter zu schreiben nochmal den Pilot angesehen.

Donnerstag, 26. Juli 2012

Unitagebücher: Minimalkunst

Ich sitze in der Sonne und denke über die Vorteile des Minimalismus' nach.
Ein beschwerter Tag lässt sich oft nur durch Verlassen des Hauses verbessern.
Manchmal reicht auch schon ein Frühstück.
Und manche Tage sind einfach nur gut.
So gut.


Ich habe das Leben gewonnen.

Mittwoch, 18. Juli 2012

Unitagebücher: Was sie tut.

Manchmal langweilt sie mich, die Welt, die ganze.

So sehr.






Es bringt mich auf den Gedanken, meine Katze zu vermissen.

Sonntag, 15. Juli 2012