Sonntag, 22. Januar 2012

Unitagebücher: Von der Befindlichkeit

In dieser ganzen Relativitätssache ist ja auch das subjektive Zeitempfinden eingeschlossen. Mit wenigen Ausnahmen dauern Seminare und Vorlesungen eineinhalb Stunden lang. Völlig unabhängig vom Inhalt der Veranstaltung, kann man, wie ich finde, den Unterhaltungswert (Wir leben in einer Welt, in der Entertainment der maßgebende Faktor ist! Deal with it!) ganz gut davon abhängig machen, wann man nach Beginn der Vorlesung das erste Mal auf die Uhr schaut. Die etwas trockeneren Linguistik Vorlesungen verlieren meistens schon nach einer halben Stunde. Die Theaterwissenschaften halten deutlich länger durch. Die Einführung in die Medienwissenschaft ist wenn man nach etwa 70 Minuten auf die Uhr schaut schon fast vorbei und ungeschlagen bleiben die NDL Seminare, bei denen ich das ein oder andere Mal ohne nur einmal auf die Uhr zu schauen das Gebäude verließ. (Und für Armbanduhrenträger ist das ein sehr schnell erlernter Reflex!)
Nun, im Theater ist das ganz anders. Man schaut während der Vorstellungen (Biedermann und die Brandstifter wurde übrigens gestern Abend abgespielt. Vielen Dank an alle, die es noch geschafft haben. Ich hoffe ihr habt es genossen.) ständig auf die Uhr (Wenn es einem nicht zu blöd wird und man sich auf der Rampe hinter der Bühne einrollt, die übrigens vor einer Woche entfernt wurde! Unfair! Ich durfte nicht einmal Adieu sagen!), um das Timing der Spieler abzugleichen. In der Regel wird ein Stück von Aufführung zu Aufführung schneller. Zum einen weil Umbaupausen flotter gehen, was gut ist, und zum einen weil sie schneller reden und Planpausen früher unterbrechen, was in der Regel schlecht ist. Sobald aber alles zusammengepackt ist, und man sich in den Theaterkeller (Ihr kennt diese kleinen Herzchen, die seit einigen Jahren Chats und Internetplattformen bevölkern? Ich kann damit eigentlich nicht viel anfangen, aber jedes Mal, wenn ich das Wort „Theaterkeller“ schreibe, habe ich das Bedürfnis so eins zu setzen.) begibt, verschwindet dieses Bedürfnis die Zeit zu überwachen vollkommen. Witzigerweise, kommt man trotzdem immer zur selben Uhrzeit heim (Meiner Erfahrung nach um halb Eins, an Premieren und Dernieren um halb Zwei. An Bergfesten kann es schon mal später werden.). Das ist dann der Zeitpunkt wo man von der Härte der Realität am Kragen gepackt wird, geschüttelt wird und versichert bekommt, dass die Klausur in zwei Wochen sich nicht von selber vorbereitet.

Die Sturmproben laufen inzwischen auf Hochtouren. Diese Woche hatte ich das Glück nur fünf Tage die Woche antanzen zu müssen. Das war sehr schön. Die anderen beiden Abende habe ich natürlich trotzdem im Theater verbracht, diesmal aber mit meinen Eltern.
Diese Sturmproben sind wohl zusammen mit dem zunehmenden Lernaufwand in der Uni, wieso ich hier lange nicht mehr geschrieben habe. Schauspielerisch bewege ich mich auf völligem Neuland. Mein Regisseur bringt mir im Moment bei, nicht nur Vertikal zu bleiben, sondern vor allem das Horizontale zu erforschen. (Ganz im Gegensatz zu dem Tipp, den Jeff Goldblum Joey in Friends 9.15 gab.) Das heißt Beinarbeit und viel davon. Bis gestern hatte ich trotz konstanter Oberschenkelspannung aber noch nichts davon gespürt. Dann haben wir angefangen die Arielszenen (Ariel ist der Luftgeist im Sturm, der cooler Weise zu einem Chor gemacht wurde, wodurch jeder Schauspieler auf der Bühne nebenher noch ein Ariel ist.) durch zu stellen. Die sind sehr choreographisch und sportlich und damit meine ich Rollen in alle Richtungen, Mitspieler tragen, Rudern, ungemütliche Schlafpositionen, Seile ziehen, schwere Holzplatten über dem Kopf wiegen. Und das ganze mit einer Zimbel (Ich bin der Zimbelbeauftragte! Es ist meine Zimbel und sie gehört mir. Niemand sonst darf mit meiner Zimbel zimbeln.) im Gürtel und arschviel (Die typografische Umsetzung dieses Ausdrucks hat mir einiges Kopfzerbrechen bereitet.) Text nebenher. Nachdem ich vor allem für Schauspielerverhältnisse nicht sehr multitaskingfähig bin, bereitet mir das Alles ziemlich viel Mühe, meinen Mitspielern etwas Unterhaltung und dem Regisseur graue Haare. Was ich also sagen will: Ich habe vier Wochen meine eigentliche Rolle „Stephano“ geprobt und nie was bemerkt. Jetzt proben wir einen Tag Arielszenen und ich bin übersäht mit blauen Flecken, aufgerissenen Stellen und voller Verspannungen (Kohäsionsfehler! Das „und“ hier sieht aus also gehöre es zur Aufzählung, ist aber durch Kohärenz (schickes Wort in der Textlinguistik für Menschenverstand) als Konjunktion zu identifizieren. Linguistik!). Unnötig zu erwähnen, dass es mit der Szene in zwanzig Minuten weitergeht.
Das zu meiner aktuellen Befindlichkeit. Wenn ich heute Abend nach sechs Stunden Knochenbrechen heim komme, und es noch (heute ist mein freier Tag.) dann versuche ich zu rekonstruieren was in den letzten beiden Uniwochen so passiert ist. Es kann aber gut sein, dass ich mir die noch fehlenden sieben(!) Chuckfolgen vornehmen will. Nicht alle heute, aber über die Woche verteilt, denn am Freitag läuft das Serienfinale. Eine Herausforderung für die ich definitiv keine Zeit habe... Was soll nich sagen? Alte Liebe rostet nicht.

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