Sonntag, 20. November 2011

Unitagebücher: 32 Stunden abgedreht


Am Samstag morgen ging es los. Um Zehn Uhr wurden uns neben einem Haufen todschicker Werbegeschenke von O2 für den alltäglichen Bürogebrauch ein Thema für unseren Kurzfilmwettbewerb gegeben. Für alle die erst zugeschaltet haben die Erklärung: „Der Zweiunddreißig Stunden abgedreht“-Wettbewerb wird jedes Jahr an unserer Uni veranstaltet. Teams bekommen dabei das nötigste an Material, einen kleinen Camcorder mit Speicherkarte und einen Schnittrechner mit Adobe Premium Pro, eines der gängigen Schnittprogramme. Zusammen. Um Zehn Uhr Vormittags bekommen sie ihr Thema mit Aurüstung und dann dürfen sie nur mit diesen Materialien einen Kurzfilm von maximal 5 Minuten Länge drehen.
Das ganze ist natürlich nicht nur ein Wettbewerb, sondern auch Kult. Zwischen Samstag Vormittag und Sonntag Abend sind die ganze Nacht über in einem Raum mit fünfzehn Schnittplätze eben so viele Gruppen mit drei bis fünf Personen. Ja, das ist manchmal ein bisschen anstrengend. Die höheren Semester sind natürlich zu erfahren und zu cool, um vor 10 Uhr Früh das schneiden zu beginnen. Wenn man wirklich hart ist, kommt man erst um 14 Uhr, macht alles in zwei Stunden fertig und geht dann noch zwei Stunden trinken, bevor man zum Treffen danach geht.
Nun bin ich mit meiner Gruppe, die alle von meiner alten Schule kommen kein höheres Semester, noch sind wir alte Veteranen. Ich habe zwar durch mein Prakitkum und den Schreckberg viel über die Schulter schauen können, aber selber geschnitten habe ich nicht viel. Dann ist das Programm auch noch ein anderes, und uiuiui- mit dem Programm hatten wir viel Spaß.
Ich spring lieber an den Anfang.Das Thema das uns von der Jury, bestehend aus Koryphäen der Medienwissenschaft, gegeben wurde hieß da: „SMS von gestern Nacht.“
Nun ist das kein sehr tolles Thema und wir alle wussten nicht so recht, was wir damit anfangen sollten. Was heißt, dass wir damit schon klar kamen, aber einer sich immer quer gestellt hatte. - Habe ich erwähnt, dass ich eine nicht delegierte Gruppenarbeit hasse? Einig waren wir nur in einem: Wir werden das „Hangover“ Prinzip nicht wiederholen. Naheliegend wäre die Story vom Typen gewesen, der versucht die Geschehnisse von letzter Nacht aufzuarbeiten. Wir dachte uns, dass das bestimmt jeder macht, oder, wenn es nicht jeder macht, sich dann jeder denkt, dass es jeder macht und es darum nicht macht. In jedem Fall war die Idee zu oberflächlich.
Wir wollten uns herauswinden, indem wir eine Dokumentation zu der Entstehung des Filmes drehen. Zwischendurch war das ein Videoblog, ein Interview, eine Scrubspersiflage und eine Ansammlung von schlecht umgesetzten Kinoreferenzen. Weil uns das aber eigentlich auch zu doof war, und es wirklich, wirklich schlecht war, machten wir uns wieder Gedanken.
Abends um 18 uhr hatten wir dann auch schon die zündende Idee. 24 Stunden vor Abgabe!
Ich will über den Inhalt nicht zu viel verraten. Der Film ist natürlich sehr durchdacht und tiefsinnig, geradezu hermetisch für den oberflächlichen Betrachter! Bald genug werden die Filme online gestellt werden, und dann könnt ihr sehen.
Wir drehten schlappe vier Stunde inklusive Abendessen in meiner Lieblingskneipe, die auch Drehort war. Um zehn Uhr Abends hatten wir noch jede Menge Zeit und alles im Kasten. (Jaaa, das ist witzig, weil die Redewendung ja tatsächlich vom filmen kommt) Also wollten wir schon mal ein bisschen schneiden. Die beiden Weibchen schieden sehr früh von uns, weil sie eigentlich keinen Bock auf schneiden hatten. Gegen Ein Uhr, wollten die anderen beiden gehen – und ich lies sie gehen, aber aus Solidarität entschieden sie sich zu bleiben. Das hielt die beiden Solidarischen natürlich nicht davon ab auf der Tastatur einzuschlafen, was das schneiden, dass dadurch an mich überging nicht einfach machte.
Es war sehr wie das Abizeitungsedieren damals. Sobald man angefangen hat, schaltet man in den Maschinen Modus und hört einfach nicht auf. Layouten und Schneiden ist nicht einmal eine unähnliche Arbeit, und beide machen wir Spaß, darum funktioniert das auch. Es ist wie in Schillers edler Seele. Ich konnte das, weil ich wollte was ich „musste“.
Ich will nicht lange drum herum reden. Um Zehn Uhr in der Früh waren wir fertig! Nach 12 Stunden schneiden. (Ich erinnere mich heute Mittag 20 Stunden gerechnet zu haben. Das, liebe Leser, war aber falsche Mathematik.) Dann schnippelten wir noch ein schönes Intro ran und wollten gerade zu den Credits übergehen, als das Programm sich auf hängte und alle Backupspeicherungen und selbstverständlich der Hauptspeicherung von innen heraus ausbrannte. Wirklich. Eine Speicherung war noch da, aber die war nur noch eine leere Hülle, ohne Bilder drin. Das einzige was uns blieb war das gedrehte Rohmaterial. 55 Minuten Film aus denen wir unsere 4 Minuten wiederherstellen mussten.
Fast hätte wir das Handtuch geworfen. Dann kam der örtliche Computercrack, der sofort an die Rekonstruktion ging. Er schlug die Hände über den Kopf zusammen, und meinte „Ach Gott, Ach Gott, sowas ist uns ja noch nie passiert!“ Auch sein PC-Mojo half nichts. Als er aufgab, viel später als wir nebenbei bemerkt, sah er auf die Uhr. “Naja, ihr habt ja noch acht Stunden Zeit. Die meisten sind ja noch nicht mal da zum schneiden. Beim zweiten mal schneiden geht’s doppelt so schnell!“
Ich raffte mich auf, und schnitt alles von vorne. Die anderen beiden wieder solidarisch an meiner Seite. Nicht unhilfreich auf der Tastatur schlafend diesmal, sondern als ein helfender Kopf, der sich darauf verstand zu wissen, wie es nach diesem Bild weiter ging. Ich habe nämlich komplett vergessen was eigentlich Thema in unserem Film war. Tatsächlich wusste ich es nicht, als wir den Film gerade ausgespielt haben und ich diesen Eintrag zu schreiben begonnen habe! Ich hatte alles vergessen!
Drei Stunden später war der Film wieder wie neu. Er hatte dann einige Schönheitsfehler und jeder hatte so seine Problematiken mit dem Filmchen, die ihr sicherlich bemerken werdet, aber das war uns dann egal. Uns wurde versichert, dass die Jury Idee und Kreativität bewertet. Nicht das handwerkliche.
Nun, ob das bewertenswert ist, wird sich zeigen. Wir haben zwei Sachen drinnen, die eventuell Urheberrechtsverletzungen darstellen könnten, das Thema ist schon ein bisschen weit entfernt und wenn wir mit uns ehrliche sind, dann wird niemand den Film kapieren. Wir selber sind uns ja nicht sicher, was da eigentlich alle abgeht. Jetzt sind wieder wieder zu Hause und ich lege mich gleich ein bisschen schlafen, bevor ich das fertige Werk abgebe und heute Abend zur Präsentation aufbreche!  - Der (angehende) Medienwissenschaftler

5 Kommentare:

  1. Oh Scheisse... ich glaube ich hätte in der Situation ja jemanden getötet.

    AntwortenLöschen
  2. ja, seine nerven scheinen ganz gut zu sein. oder das ganze ist dramaturgisch aufgepimpt...

    AntwortenLöschen
  3. Ich versichere, dass es sich in dieser Schilderung um Untertreibungen handelt. Ich habe ja noch nicht mal erwähnt, dass ich den ganzen Sonntag kaum zum Essen kam!
    Und jetzt, Montag früh, nach einem Abendessen, das viel zu kurz war, haben Handwerker meine Wohnung besetzt und die Küche versteckt!

    AntwortenLöschen
  4. welcome in real life
    das leben ist eben doch kein ponyhof

    AntwortenLöschen
  5. Deine Schilderung erinnert mich heftig an Giovannino Guareschis schöpferisches Treiben. Seine Don Camillo Episoden sind grundsätzlich über Nacht entstanden, führten zu Tabakvergiftungen, Schlafmangel und Herzschmerzen, wurden immer zu spät abgeliefert und endeten routiniert in einem cholerischen Anfall des Chefredakteurs und im psychosomatischen Zusammenbruch des Verfassers... und sind dann noch im falschen Blatt gedruckt worden.

    AntwortenLöschen