Samstag, 3. Dezember 2011

Unitagebücher: Katharsis

Heute war die Vorpremiere unseres Biedermanns. - Der Drama-Dramatiker
Das lästige am Theater sind ja immer die Aufführungen. Kann man sich nicht einfach so im Theaterkeller treffen und auf Sponsoren kosten Essen und Trinken? Das Leben könnte so schön sein. - Der Bademantelmann
Vielleicht ist gerade das der Punkt. Ich wollte schon lange von der Katharsis in Serien schreiben und jetzt bin ich am richtigen Punkt, von dem aus ich übrigens weit von dem eigentlich Thema entfernt landen werde. - Fireladder Productions

Katharsis ist ein Begriff der Aristoteles zugeschrieben wird. Er redet davon, dass die Zuschauer einer Tragödie „jammern und schaudern“ sollen, „damit sie gereinigt werden“ (Sinngemäß). Über eleos und phobos – eben jammern und schaudern – redet er auf. Dieses reinigen (Reinigung = Katharsis) wird sonst leider so gar nicht mehr erwähnt. Vielleicht in einem anderen Werk? Nein! Er spricht nie ausdrücklich von dieser Katharsis. Alles was davon im Umlauf ist, ist das was die Renaissance ihn in den mund gelegt hat, was Lessing dann so falsch korrigiert hat, und was auch die aktuelle Forschung als „Reinigung des Körpers“ bezeichnet. Man geht davon aus, wenn man seine anderen Schriften berücksichtigt und rekonstruiert wie Mr A. so drauf war vermuten, dass es eine Affektentladung sein soll. Jap. Katharsis geht in die Schublade „lies my teachers told me[1]“. - Der Germane

Hier will ich jetzt von einer Katharsis sprechen, die sich an keinem der gängigen Begriffe orientiert, sondern ganz einfach von einer Reinigung der Gefühle. Ja, der germanistisch gebildete Leser erkennt Zusammenhänge zu einer bekannten Auffassung des Begriffs, aber ich will es bewusst nicht in eine Schublade werfen, um es nicht zu mehr oder weniger zu machen als es ist. Eine Säuberung von allen angestauten Gefühlen.

In unserem Leben gibt es viele Gründe seine Gefühle nicht immer offen zu zeigen. Ich will jetzt aber gar nicht altklug daherreden, sondern nur die Basis aufzeigen, von der mein folgendes Geschwafel ausgeht. Ich behaupte, dass wir – vielleicht nur unterbewusst – viel zu viel anstauen – vielleicht aus den richtigen, vielleicht aus den falschen Gründen. Dazu kommt noch das konstante Unterdrücken von Wünschen, Träumen und diesem ganzen anderen emotionalen Unsinn, den natürlich nur Frauen haben. Wenn wir nach dem obligatorischen, langen Arbeitstag[2] in unser gemütliches Sofa sinken, dann sind wir voll bis obenhin mit Flüssigkeiten die raus müssen! Das sind Tränen der Freude, Tränen des Leides. Das sind unausgesprochener Frust und unverbrauchtes Sperma. Das sind das Seufzen der schweigenden Liebe und das Schreien des stillen Hasses. Jetzt sitzen wir in unserem Kämmerchen des Schreckens und sehen herzergreifende Momente in dem Leben fiktiver Gestalten. Ich setze hier voraus, dass wir inzwischen alle kleine Voyeure sind.[3] Wir finden es unglaublich interessant in das Leben anderer Menschen zu schauen. Dann müssen wir uns nicht vor den echten Spiegel[4] stellen und uns selbst ansehen. Sieht man sich Fernsehen an, so ist es in fast allen Folgen einer beliebigen Sitcom der Fall, dass ein Protagonist sein eigenes Problem in der Geschichte eines anderen wieder findet. Wir Zuschauer sehen das und finden es vielleicht ungeschickt, vielleicht raffiniert. Selten genug kommen wir auf die Idee, genau das selbst zu tun. Aber all das nur am Rande. Wir sehen durch den Schaukasten in das Leben eines anderen und können hier zum ersten Mal völlig konsequenzenfrei unsere Gefühle zum Ausdruck bringen. - Der angehende Medienwissenschaftler
Wir können heulen, wenn Folgen mit schönen Namen wie „What you leave behind“ eine großartige Serie beenden. Wir könnten auf die Knie fallen, wenn Spike am Ende der siebten Buffy Staffel seine Ruhe bekommt, oder eine Staffel später in Angel mit dem einfachen Satz „There is a whole in the world“[5] über den tragischen Tod einer Freundin alles anspricht, an dem wir nichts ändern können. Wir weinen, wenn sich die Crew der Galactica verliert und Adama über die neue Erde gleitet.[6]

Unser Herz springt hoch, wenn Ross Rachel bekommt, egal wie falsch und käsig diese Geschichte die ganze zeit über war. Dasselbe gilt für Chuck und Sarah.[7]

Wir schreien, wenn Ronald D. Moore und David Eick Cally aus der Luftschleuse werfen lassen, von Tory, dieser VERF– - Der Serienjunkie

Ich hätte gute Lust noch lange so weiter zu machen, aber ich denke ihr habt verstanden was ich meine bevor ich mit der kleinen Aufzählung begonnen habe. Fühlt euch frei eure Affektentladungsmomente zu ergänzen.
Jetzt haben wir also dieses göttliche Geschenk des Mitgefühls bekommen, können es aber nur auf andere anwenden – ich bleibe im Kontext des Fernsehens, will aber den Raum lassen dieses Konzept auf andere Bereiche des Lebens zu übertragen. Das Bild der besorgten Freundin, die vor lauter Mitleid den Scheiß in ihrem eigenen Leben nicht mitbekommt ist sicher geläufig. – und das aus Gründen, für die ich mich nicht berufen fühle. Wir können das Schöne sehen, das Grausame fühlen und umgekehrt, aber wir tun es oft nicht an unserer eigenen Person. Die Selbstreflexion wäre zu viel.
Vielleicht hängt damit die Abwesenheit von Liebe in unserer Gesellschaft[8] zusammen. Das ist natürlich nur eine völlig wilde Vermutung. Es kann tausend andere Gründe geben, wieso wir so viel stärker auf die Fiktion reagieren, als auf die Realität. Die Fiktion hat ja auch immer den Vorteil die Augen des blindesten Rezipienten auf ein Objekt richte zu können. Mir fallen auch noch einige Ideen dazu ein, aber mir gefällt diese hier irgendwie. Das eigene Leben hemmt unseren Ausdruck, und darum projizieren wir ihn da hin wo wir ihn verwenden können(dürfen?). (It’s all about projection lately.[9] Too much Cylon or too much Frasier?) - Der angehende Medienwissenschaftler
Eventuell ist es auch andersrum. Wir warten nicht darauf es an einem geeigneten Ort zu verbrauchen, sondern verbrauchen es hier, bevor wir in unserer physikalischen Realität[10] dazu kommen. Das wäre tragisch und, wenn ich nach all dem Battlestar und den vielen Serienfinalen noch Tränen übrig hätte würde ich darum weinen.
Übrigens beschränkt sich das auch nicht nur auf Gefühle. Viele andere Dinge sind in einem Bildschirm auch intensiver. Nichts ist zum Beispiel so erotisch wie eine gut inszenierte Frau[11]. Keine Frau versteht es in der Realität die Blicke eines Mannes wirklich zu lenken, wie eine Kamera es kann.[12] Und das alles obwohl ein erotischer Moment im Fernsehen viel kürzer ist als die meisten erotischen Begegnungen[13] der Wirklichkeit!
Was können wir also von dieser Ansammlung von Gedankenmüll heraus nehmen? Ich denke Viele würden zustimmen, wenn ich einfach nur die These aufstelle, dass Tragik außerhalb unseres direkten Lebens einen viel größeren Affekt[14] hat als unsere persönliche Geschichte. Woran das liegt, weiß ich nicht wirklich.[15] Ich bin mir aber sicher, dass es nicht gesund sein kann. Oder dass es sehr gesund ist und wir darum Dinge wie Bücher und Serien oder von mir aus Promiklatsch dringend brauchen, damit der ganze Scheiß aus dem System kommt.

Jetzt will ich noch mal zum Anfang zurück kommen und euch erzählen wieso ich gerade jetzt das alles schreibe – immerhin ist es bald drei Uhr nachts und ich bin ja nicht mehr der Jüngste[16]. Zu Beginn sprach ich von unserer Vorpremiere und wie toll das Zusammensitzen mit den Kollegen da war. Jetzt könnt ihr eins und eins addieren und da habt ihrs schon. Weil ich mich aber so gerne reden höre[17] und ich es gelernt habe immer von der Fehlinterpretation des Leser auszugehen erzähle ich es euch trotzdem: Wir saßen da so rum, ich unten, und einige Meter entfernt und eine Darstellerin, die sich durch ihre Empathie auszeichnet (Grundschullehrerin…) saß auf einem Barhocker, also erhoben. Hinter ihr hingen die tiefen loungeigen Lampen und gaben ihr einen Heiligenschein. Dann hatte sie natürlich noch den Kopf in genau der richtigen Position gehalten und BÄM: Da hatten wir ein 1A Battlestarcover. Sofort regten sich alle Gefühle in mir: Das Glück, die Trauer, die Liebe, der Hass. Dass das Leben nie so schön und intensiv ist wie auf der Leinwand, verbinde ich schon lange mit diesen Gefühlswallungen. Dann… Dann sah ich mich um und blickte in die Gesichter um mich herum. Links Gegenüber meine Regisseuse und Mentorin, die sich angeregt unterhielt, mein alter Freund und Maestro der Gitarre lächelte und zwinkerte mir zu, auf der anderen Seite eine Mitstudentin im verirrten Studiengang[18] grinste mich in ihrer ganzen Sozialerotik breit an. Ein Flacher Witz kam vom Techniker und Problemlöser in allen Lebenslagen von meiner Seite und von der anderen einer der treusten Kameraden, der für Roller noch wenn die Hölle ihn neunfach umzingelte recta zum Galgen marschiert wäre[19]. Ich empfand plötzlich dieses Glück, das ich scheinbar sonst nur aus der Fiktion kenne wieder und lehnte mich vergnüglich zurück.
Vergessen hatte ich, dass wir auf einer Bierbank sitzen und mich 180° zum Boden lehnte. Eine Beule, um mich an diese Lektion zu erinnern.[20] - Der Taugenichts



[1] Anderes in der Schublade: „Autorenintention“, „Nach der Aufklärung kam die Weimarer Klassik“ und „Faust ist das Beste was die deutsche Literatur zu bieten hat“. In der Schublade nebenan liegen Dinge wie: „Du bist einzigartig wie eine Schneeflocke“, „Du kannst alles schaffen was du willst!“ und „Ich liebe nur dich.“

[2] Der Arbeitstag steht hier für eine weiter zu fassende Zeit im Leben eines Einzelnen, dessen Länge Individuell variiert.

[3] Ausnahmsweise habe ich hier echte medienwissenschaftliche und natürlich soziologische Thesen, die mir den Rücken stärken. Eine tiefe Erkenntnis ist das natürlich auch nicht, wenn man sich alleine den Inhalt des Privatfernsehens so ansieht. Von dem was wir so „Klatsch“ nennen, will ich gar nicht anfangen.

[4] An dieser Stelle sei bemerkt, dass diese Art der Realitätsflucht, genau genommen der Flucht vor der Selbstreflexion zu der Reflexion anderer, ein eigenes Gebiet ist. Wäre ich ein Crane, würde ich hier anfangen zu forschen.

[5] Die letzte Angelstaffel macht die ganze Serie sehenswert.

[6] Egal ob uns das Ende der Serie passt oder nicht.

[7] Korrektur: Würde gelten, wenn Hanna nicht alles verdorben hätte.

[8] Ich rede jetzt von der kleinen Gesellschaft des Privatmenschen. Alle Übertragungen auf die soziologische Gesellschaft sind willkommen.

[9] Referenz auf die blaue Blume.

[10] Regelmäßtige Leser haben vielleicht bemerkt, dass ich normalerweise davon absehe zwischen fiktiven Geschichten und der Realität mit diesen Begrifflichkeiten zu unterscheiden und damit die Fiktion als irreal abzutun. Nur weil es erfunden ist, heißt es nicht, dass es nicht real ist! Ich verwende die Unterscheidung der Einfachheit wegen trotzdem.

[11] Wieder mal Männerperspektive!

[12]

[13] Durch das exzessive Schauen von Fernsehen, das Studium an der Universität und meinen eigenen Erfahrungen habe ich einen Instinkt entwickelt, der mir an dieser Stelle sagt einen Witz über premature ejaculation zu machen. Ich will ohne abzuwerten einfach mal davon absehen.

[14] Ich verwende absichtlich „Affekt“ und will betonen, dass für den „Effekt“ wohl das Gegenteil gilt.

[15] Und dafür habe ich ganz schön lange geredet. Das beweist es mal wieder: Ich schreibe hier, um mich selbst reden zu hören.

[16] Nur wenn ich mit euch spreche, aber ihr seid ja auch alle wirklich alt. Leider hab ich manchmal den Eindruck, dass der Spruch „Man ist so alt wie man sich fühlt“ auch anders herum geht. Darn!

[17] I’m a theatreman, baby!

[18] Also Jura.

[19] Dramenreferenz! Na? Naaa? Naaaa…?

[20] Gemeint ist nicht, wie man dem Kontext entnehmen könnte, dass man sich auf einer Bierbank nicht zurücklehnen soll, sondern, dass man das schöne, tragische, perfekte in seinem leben schon hat und es nur finden muss. Wenn ich drüber nachdenke, aber auch das mit der Bierbank.

12 Kommentare:

  1. Oje, wenn nun Katharsis im Original nur das Jammern eines "chorus interpres", die Stimme im "off" ist, welche über eine arme, im Schicksal verstrickte Figur ein Weh und Ach anstimmt! Und der arme Kerl auf der Bühne niemanden hätte als sich selbst, um zu reden. Armer Wicht! Zumal ja alle auf den Chor hören ...
    Du aber sagst, dass sich Katharsis weder beim Schauspieler, noch im Chor abspielt, sondern beide ... in ihrer scheinbaren Isolation zueinander ... gleichsam als Katalysator einen dritten ins Kommunikationsgeschehen rufen: das Publikum! Seine Wahrnehmung bezieht Spieler und Chor, Mensch und Umwelt, Ethos, Gesellschaft etc. aufeinander und es entsteht der Affekt, sei er komisch oder tragisch, wobei der Übergang sehr fließend ist.
    Beim Theater geschieht dies am direktesten. Ich bin Teilnehmer an einem einmaligen, zerbrechlichen Geschehen in gnadenloser Echtzeit. Dieses Geschehen ist nicht reproduzierbar. Das kann wiederum der Film. Der Film aber ist ein Kuss durchs Taschentuch und verliert schließlich durch die Unsitte, gleich sein eigenes "making of" mitzuliefern, jeden Rest an Fiktionalität. Summa: Für mich sticht Dein Sturz von der Bierbank im Kreise Deiner Komparsen jede Filmszene aus, sowohl an Tragik als auch an Komik!
    Vor allem aber ist sie Realismus, völlig und ganz unmedial ... endlich :)! Nach solchen Momenten suche ich, so ein Leben will ich leben!
    Du schreibst:
    " ... wenn ich einfach nur die These aufstelle, dass Tragik außerhalb unseres direkten Lebens einen viel größeren Affekt[14] hat ..."
    Ich widerspreche: Tragik (und Komik) hat innerhalb des Lebens den größten Affekt! Z.B. Ich höre "Schulfamilie" und erlebe Unterricht und Lehrerzimmer, ich höre "Reich Gottes" und sehe meine evangelische Kirche. Ich höre "Familie" und erlebe Zerstreuung. Wo ist die Katharsis? Im Aufeinanderknallen von Sehnsüchten, Zielvorstellungen und der erlebten Wirklichkeit. Hier entsteht nun die Fiktion, die Spannung, die Sehnsucht. Und weil Realsatire zwar der erste Schritt ist, diese Spannung "abzukacken", dies aber nicht ausreicht, hänge ich meinen Träumen nach und gebe ihnen die Gestalt der Fiktion. Ingrid Bergmann ist für mich Fiktion, die Föderation der Planeten ist für mich Fiktion, Don Camillo und Peppone ist für mich Fiktion. Da möchte ich sein, das wünsche ich mir. Hier habe ich alles: Weltfrieden und schöne Frauen, Harmonie oder entfesselte Aggression, Helden und alte Flieger ... alles Dinge, zu denen mich mein Sehnen treibt. Deshalb konsumiere ich Medien! Der Affekt ist in mir, entstanden aus der Realisierung meines Lebens. Und mit seiner ganzen Sehnsucht greift er nach den Sternen ... im Medium:)!

    der Baron

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  2. So wie du es zuletzt schildert, bist du also der Meinung, dass wir tatsächlich projizieren. Der Affekt entsteht im Leben und entlädt sich in einem Katalysator. Aber warum? Warum reicht uns das Leben dafür nicht aus? Müssen wir uns dieser Regnungen erst bewusst werden? Wenn es so ist, wie du sagst, was ja auch nur eine These ist, dann wissen wir immer noch nicht das "Warum?".

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  3. weil der mensch von natur aus bequem ist und es einfacher ist sich mit projektionen zu beschäftigen als dem ganzen scheiß in der eigenen person ins auge zu schauen.... weils von sich selbst ablenkt und man dann alles so weiter laufen lassen kann und nichts verändern muss....
    denn das alles wäre ja anstrengend

    nichtsdestotrotz sind die gefühle, die im eigenen leben durch eigenes handeln entstehen tausendmal intensiver als die durch fiktion hervorgerufenen... jawoll!

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  4. Das sind eben die Affekte. Kurz und heftig und dann gleich wieder vorbei, während man mit den Gefühlen der Realität die ganze Zeit zu kämpfen hat.

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  5. warum kampf? man könnte sie auch geniesen...

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  6. Ja. Ich denke die ganze Zeit an den praktischen Nutzen, wie man so vielleicht seinen Ärger loswird. Darum rede ich hier meistens von den negativ Beispielen - die mit denen man zu kämpfen hat.

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  7. kennst du nicht die lust am kampf?

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  8. Wieso nicht? Aber daran habe ich nicht gedacht. ;)

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  9. Danke, Mooghy :)

    Zur Verdeutlichung: Die "Feuerzangenbowle" ist ein klassisches Beispiel, eigentlich ein Verdrängfilm, ein Propagandafilm. Er spricht Gefühle und Sehnsüchte an, die in den letzten Kriegsjahren gefehlt haben bzw. nicht zu ihrem Recht kamen. Wären diese Affekte, das Sehnen nach Frieden, Harmonie, bleibende Werte etc. nicht durch Erfahrungen im Leben erworben (und im Krieg defizitär), würde der Film keinen ansprechen. Ich sage und behaupte es weiter. Kunst braucht Hermeneutik, und sei sie noch so krude. Kunst muss Kommunikation - von mir aus subtil und unbewusst - herstellen. Etwas, was in mir schon da ist und von meiner Gegenwart resoniert und etwas an meinen Affekten zum Leuchten bringt.

    der Baron

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  10. das hast du davon, wenn du nur so verallgemeinert und andeutungsweise redest. dann versteht jeder in erster linie das, was seiner erfahrung am nächsten liegt...
    mit anderen worten: red klartext, wenn du auf was bestimmtes raus willst

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  11. Ich habe das hier gerade erst gefunden und habe mich da sehr an ein Gespräch erinnert gefühlt, was wir mal per ICQ geführt haben, eingeleitet von Dir mit den Worten: "Es gibt zu wenig Emotionen in der Welt". Ich glaube es fielen darin auch die Begriffe "Eleos und Phobos" und "Prostitution der großen Gefühle". Anscheinend muss dieses Gespräch bei uns beiden in verschiedene Richtungen gerichtete Denkprozesse ausgelöst haben, denn ich habe mir, als ich mir (natürlich aus rein empirischen Gründen) mal Frauentausch angeguckt habe, ganz ähnliches gedacht. In dieser ganzen scripted-reality-kacke hast Du genau das! Bloß weniger Eleos und Phobos als vielmehr Mitleid ODER Verachtung. Stellvertretend für die echte Welt (wo Mitleid peinlich und Verachtung öfters mal sozial unverträglich ist) wird Dir hier eine Realität (keine Fiktion, das macht das ganze umso besser!) vorgegaukelt, an der Du diese Affekte konsequenzenfrei erleben darfst. Und die Hintergrundmusik und der Off-Kommentar sagen Dir, ob Du die Hartz-4-Familie entweder bemitleiden oder verachten sollst. Du musst das noch nicht mal selbst entscheiden! Das Fernsehen übernimmt hier eine Funktion/Dysfunktion, die ich weniger als Selbstreflexion, sondern vielmehr als Stellvertreter (Vicarious! Jetzt hab ich doch tatsächlich auch mal eine Musik-Referenz gemacht! Dass ich das noch erleben darf!) bezeichnen würde. Prostitution der großen Gefühle, da haben wir es wieder! Hab ich noch was vergessen? Ne, ich glaube das war alles.
    - Severin

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