Donnerstag, 5. April 2012

Slackerrecords: Aus dem Leben eines Taugenichts #3

Für Außenstehende schaut das Leben eines Taugenichts oft anders aus, als für ihn.

Endlich war das Zimmer mal wieder sauber. Zeit für Mittagessen. Dann Küche putzen! Aber natürlich hatte der Taugenichts nichts mehr in seinem Kühlschrank. Und der Cidre war auch leer getrunken. Wieso das alle paar Tage passiert, blieb ihm ein Rätsel.
Die umliegenden Supermärkte haben keinen Cidre, also musste der Taugenichts zum nächsten Real fahren, da wo es das richtig gute Zeug gab. Der Parkplatz war ein Schlachtfeld. Links und Rechts von der Einfach wollten Autos rein und raus, mit Fahrern die entnervt, erzürnt schreiend in alle Richtungen, wild ihr Straßenverkehrsrecht durchsetzten.
„Das wird ein Spaß“, murmelte der Taugenichts.
„Misery's the river of the world. Everybody row!“ kommentierte der kleine Tom Waits, der in seinem Autoradio wohnte.
Der Taugenichts lenkte scharf tief ein und setzte sein Gameface auf. Schreiend sprang er ins Gewässer. Rechts dem Lieferwagen ausgewichen, links an dem Ausparker vorbei, schnell gewendet, um die neue Parklücke zu erobern. Drei Autos standen davor und stritten sich um die Lücke, als ein schwarzer Audi souverän das Revier eroberte.
„Jemand will eine Schleifspur an seinem Heck haben...“
Der Taugenichts verwarf den Gedanken, als er am anderen Ende des Parkplatzes eine Frau ihren Kofferraum schließen sah. Er riss das Stauer herum, und fuhr los. In Schrittgeschwindigkeit. Sicherheit geht vor.
Drüben angekommen, war bereits ein Renault in Lauerstellung, der Taugenichts setzte zurück und sah sich nach einer anderen Gelegenheit um. Er wollte links auf den Hauptweg abbiegen, aber der Strom der Autos war zu stark. Weiter vorne Rechts gab es nur überfüllte Parkplätze, und plötzlich stand der Taugenichts wieder draußen auf der Straße.
„Die erste Runde hast du gewonnen, Realparkplatz, aber bei der Zweiten, werde ich dich verparken.“ Der Taugenichts hatte keine zeit zu überlegen, dass das keinen Sinn machte, als er die hypothetischen Kameras platzierte und sich erneut ins Gefecht stürzte. Dann ging alles ganz schnell. Links, ein halbe Parkplatz frei. Der Taugenichts reagierte und stellte sich in Einfahrposition. Eine Mutti im Kombi flitzte von links heran.
„So nicht, Mutti!“ schmetterte der Taugenichts ihr entgegen und führte ein Manöver durch, dass er gerne den rückwärtigen Baron nannte. Quietschend und dampfend kamen seine Reifen in der Parklücke zu stehen. Auge um Auge mit der Kombimutti. Wir sehen uns drinnen. Schienen sie zu funkeln.
Denn der wahre Kampf begann gerade erst. An der Tür begegnetet der Taugenichts [einem wahllosen Kollegen vom Theater]

Sie sind wahnsinnig geworden! Alle! An der Fleischtheke begannen wir uns wie die Tiere zu zerfleischen! Geh nicht darein.“
Wir haben nicht immer die Wahl, [wahlloser Kollege vom Theater]. Dadrinnen liegt mein Cidre, und ich werde ihn mir holen, und wenn ich das wichtigste dafür opfern muss, dass ich besitze.“ Der Taugenichts bemerkte, dass seine Stimme inzwischen rief, rau und kernig geworden war.
Wie?“ fragte der verwirrte Kollege.
Keine Angst. Sobald ich drinnen bin, werde ich genug Gelegenheit haben deinen Tod zu rächen.“
Meinen Tod? Was redest du da?“
Der Taugenichts lies die Einwände des Kollegen zusammen mit seinen Skrupeln und dem guten Benehmen an der Drehtür zurück.

Als er an den Sonderangeboten, der Multimediaabteilung und der Hygiene vorbei war, und endlich das Essen erreicht hatte, war er bereits der Terminator.
„WURST!“ rief er der alten Frau ins Gesicht, die sich die Edelasalami schnappen wollte, die der Taugenichts bereits zwischen seinen Fingern hatte. Ein kleines Kind, das an ihm vorbei geschoben wurde sah ihn entgeistert an. „Wurst!“ wiederholte der Taugenichts, wie um seine Handlungen zu begründen. Und mit „Wurst“, bestätigte er sie, als er nocheinmal den Blick über die Auswahl schweifen lies. Alles war da. Nur etwas fehlte noch. Die passierten Tomaten. Bei seinem dritte, oder vierten Besuch hatte der Taugenichts langsam, einen Überblick. Im hinteren Teil gab es die Ernährung. Links Gewürze, Teifkühlkost, Feritggerichte, dann Fleisch und ganz rechts Käse. Aber wo waren die passierten Tomaten? Er musste gegen den Strom der Einkaufsveteranen kämpfen, viermal die ganze Sektion zirkulieren, bis er endlich den richtigen Gang fand. Versperrt von einem Wagen voller Kartons, der gerade von einem überforderten Angestellten, gegen hungernde Horden von Einkäufern verteidigt wurde. Der Taugenichts musste einen anderen Weg finden. Er spurtete durch den nächsten Gang, zwängte sich zwischen zwei Einkaufswägen durch – er wusste schon, wieso er auf diese riesigen eisernen Behinderungen verzichtete – und näherte sich seinem Ziel von hinten durch die Spirituosenabteilung. Am Regal angekommen fand er nur den niedergeschlagenen Angestellten in einer roten Lache liegen. Die passierten Tomaten tropften von seinem Hemd.
„So nutzen mir die passierten Tomaten nichts.“ Der Taugenichts sah neben den durch den umgefallenen Verkäufer zerschlagenen Karton und griff zu, hielt dann aber inner.

Zu kleinen Teilchen geschnittene Tomaten? Was soll dieser Müll?“
Der Mann am Boden begann zu röcheln. „Es waren zu viele. Wie die Wilden sind sie über mich gekommen und haben mich einfach hier liegen lassen.“
Der Taugenichts beugte sich nach unten und nahm seine Hand.

Wo gibt es noch mehr passierte Tomaten?“ fragte er so rücksichtsvolle wie er konnte.
Sie haben sie nicht gefunden, ich konnte sie verstecken.“ Er zog ein Päckchen hervor. „Das hier ist das letzte im Laden. Hier nimm!“ Der Angestellte hustete ein wenig passierte Tomaten aus.
„Dein Opfer wird nicht vergessen werden“, sagte er und begann sich den Weg zur Kasse zu bahnen.

He! Was ist mit mir? Du kannst mich doch nicht zurücklassen. Willst du mir nicht aufhelfen?“
Der Taugenichts drehte sich nicht um.

Nein.“

„Du trägst die Taschen, als wären sie leicht“, spricht die Taugenichtsin, die mir ihren kleinen Beinen nur schwer Schritt halten kann.
Die Lippen des Taugenichts formen bereits die Worte: „Das ist meine überlegene männliche Physiognomie, Baby.“ aber seiner verbalen Inkontinenz wird unterdrückt, als er bemerkt, dass es die Gene seines Vaters sind, die da sprechen.
„Ich kann wirklich selber noch eine Tasche tragen!“
„Jaja.“
Die überbeladene Eins sechzig Frau, gräbt ihren Schlüssel aus und öffnet nach viel Gewerke die Haustür mit der Hand, die sie nicht freigehabt hätte, hätte sie noch eine Tasche getragen.
„Willst du noch einen Kuchen?“ fragt sie. Der Inhalt alleine reicht, um den Satz verführerisch zu machen.
„Kuchen? Ich komm noch mit rein!“
Es dauert ätzend lange, bis der dazugehörige Kaffee fertig ist und der Kuchen endlich verzehrt werden kann. „Das ist mein Lieblingskuchen, das heißt du bekommst kein zweites Stück.“
Der Taugenichts hatte so etwas geahnt, aber warum wurde er in die Wohnung gelockt.
„Sorry, ich musch jetzt mal schnell mein Bett beziehen.“
Bett beziehen. Schnell. Etwas stinkt hier.
„Wo hab ich denn jetzt mein neues Bettlaken hin?“ Die Taugenichtsin begann in der Küche die zahlreichen Taschen auszupacken und nach dem Bettlaken zu suchen, das ganz zweifellos ganz unten in der allerletzten Tasche war.
„Was mach ich denn, wenn es jetzt die falsche Grösche hat?“
Man konnte sich daran gewöhnen, dass die Frau alles ausspricht, was sie denkt. Nicht daran, dass sie nach ihrem Landgang den Dialekt ihrer Heimat mit zu uns brachte.
„Schau mal wasch ich gekauft habe!“
Und Manchmal was sie sehr sprunghaft.
„Ich hoffe esch stört dich nicht, mir beim Arbeiten zuzuschen.“
„Nein. Das spricht nicht all meine Helfersyndrome an, wenn du mit dem Reißverschluss kämpfst.“
„Wo schind die anderen Staubsaugeraufsätze? Ich hätte Mutter zuhören schollen, als sie mir das erklärt haben.“
Aber warum wollte sie ihn hierbehalten?
„Ach, ich nehme jetzt einfach das Teil, das dran ist.“
Was war ihr Plan....
„Ich habe übrigens in einer Stunde Probe.“
A-Ha!
„Und ich muss dir was gestehen...“
Der Taugenichts nahm ihr die Arbeit ab: „Du hast mich mit Kuchen hier hereingelockt und hoffst jetzt, dass ich lange genug da bleibe, um dich beim Theater rauszulassen?“
„So offensichtlich?“
„Ich geh jetzt.“
„Warte noch es ist ja gleich soweit.“
„Nein, du kannst auch laufen. Ich muss dir jetzt nicht bei der Arbeit zusehen.“
„Ich kauf dir eine Flasche Cidre.“
„Zwei.“
„Deal.Wie groß bist du?“
„Eins achtzig nochwas.“
„Gut. Kannst du mir bitte das Bettlaken da runter holen?“
„Wieso hast du da oben überhaupt Regale?“

Viel war geschehen an dem Tag, so dachte sich der Taugenichts, als er nach der Aufführung in seinen Schreibtischstuhl sank und noch ein bisschen kreativ wurde. Alles Stoff, den er jetzt auf seine digitalen weiße Flächen bringen konnte. Es war ein sehr entspanntest Leben, dass er führte, egal wie stressig ein einzigen Tag plötzlich werden konnte, solange er die Möglichkeit hatte am Ende des Tages so zu fliehen. Das tat er noch einige Stunden. Dann klingelte sein Telefon. Mitten in der Nacht? Wer konnte das nur sein? Er nahm ab.
An das was die Person am anderen Ende der Leitung sagte, konnte sich der Taugenichts am nächsten Tag nicht mehr erinnern. Er erinnerte sich auch nicht daran, dass er den Schalldämpfer auf die Leica aus dem Koffer, der unter seinem Bett versteckt war, aufschraubte, seinen Mantel anzog und das Haus um 02:57 Uhr verließ und erst um 04:14 Uhr wieder nach Hause kam.

1 Kommentar:

  1. Erstens: das Manöver heißt nicht "rückwärtiger Baron", sondern "Immenlmann" Danke dennoch für die Homage:)
    Zweitens: Du schreibst nicht auf digitale weiße Flächen, sondern auf definitiv digital schwarze!
    Drittens: Wie oft habe ich Dich gelehrt: Auf die "Leica" kommt das Objelktiv. Der Schalldämpfer kommt auf die "Walter PPK"! Du kleiner Schussel, du!
    Viertens: Schwarze Audis sind DER FEIND! Die dunkle Seite der Macht du nie unterschätzen darfst! Schwarzer Audilack auf deinem Peugeot die Zierde eines jeden Jedi ist!
    Fünftens: Der nächtliche Anrufer war ich, der BARON, der Parkplatzterminator, dein Lehrer und Meister!
    Summa: Vergiss den Unsinn mit Produzent, lass das Schauspielern! Tolle et scribe!

    der Baron

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