…und dann schloss sie die Tür hinter sich. Mein schönes Leben zerbarst in unzählige kleine Fragen, die mir alle vor die Füße fielen. „Es gibt keinen Grund den Kopf hängen zu lassen,“ hörte ich mich sagen. „Wenn ich mich nicht gleich darum kümmere, dann mach ich das nie.“ Und so begann ich die Fragen vorsichtig, einzeln, Stück für Stück in meine linke Hand zu zählen, so dass ich mich nicht an ihnen schneide.
Wie konnte es soweit kommen? Was hat sie dazu getrieben? Ist es alles meine Schuld? Was habe ich falsch gemacht? Hätte ich es nicht früher bemerken müssen? Hätte ich noch etwas tun können? Kann ich noch etwas tun? Wie hätte ich es dann verhindern können? Und wie überhaupt vorhersehen? Wieso hatte sie mich nie gewarnt? Gab es Zeichen die ich hätte sehen müssen? Wenn ich mich etwas mehr angestrengt hätte? Warum konnten wir uns nicht besser verstehen? Ist es alles nur ein Missverständnis? Waren es nur wieder Kommunikationsschwierigkeiten? Könnten wir diese Probleme nicht einfach beseitigen? Wie könnten wir daran arbeiten? Kann ich es noch rechtzeitig um die Kurve schaffen? Wie beweise ich ihr, dass ich bereit bin etwas zu tun? Wie kann sie mir jetzt noch glauben? Gibt es noch eine Chance? Und wenn nicht, was dann? Wer würde mich denn schon noch wollen? Was habe ich denn schon zu bieten? Wem könnte ich gefallen? Wie könnte ich mich beweisen? Wer würde mir noch mal die Möglichkeit geben? Wieso muss es so kompliziert sein? Wieso kann sie nicht einfach bleiben? Wieso will ich immer mehr als ich haben kann? Wieso können wir uns nicht einfach verstehen? Wieso kann es nicht einfach bleiben? Wieso können wir nicht einfach glücklich sein? Wieso kann ich nicht das haben was ich will? Wieso kann ich nicht einfach glücklich sein?
Meine Hand war inzwischen voller Fragen. Ich ging zum Mülleimer und warf sie fort. Weil es mir zu blöd war, nahm ich den Besen und kehrte die anderen Fragen zusammen, bis es ein großer Haufen war. Ich trat einen Schritt zurück und betrachtete die Gesamtheit des Fragenberges: „Kann ich jetzt ruhen? Kann ich ruhen?“
„Es macht nichts, wenn ich den Haufen erst später wegräumen, das ist mir jetzt zuviel Arbeit,“ dachte ich und schaltete den Fernseher ein.
Veröffentlicht im Bierstädter Juni '11
AntwortenLöschen